Zu Besuch beim For-Amusement-Only e.V.

Auf der HomeCon IIX hatte ich endlich die Gelegenheit den Reiner vom For-Amusement-Only persönlich zu treffen, nachdem wir vorher nur Mailkontakt hatten. Der Verein betreibt in Rodenbach bei Hanau ein Flipper- und Arcadeautomatenmuseum, welches jeden ersten Samstag im Monat für jedermann geöffnet hat. Heute reden viele Leute davon, dass sie ein Museum betreiben, also stehen da wohl zwei, drei Flipper und ein MAME-Cab? Das, meine lieben Freunde, trifft es aber nicht so ganz…

In der Nacht nach der letzten HomeCon fuhr ich mit Saillorsat und HelmutX also zum Reiner nach Rodenbach, mit ein bisschen flippern, zocken und Automaten ansehen – den Abend ausklingen lassen. Reiner erzählte etwas vom Lagerraum einer ehemaligen Schleckerfiliale, den sie gemietet hätten. Naja, was kann das schon an Fläche sein, in der heutigen Zeit von Just-In-Time-Lieferungen? Betonboden, nackte Wände, unordentlich aufgestellte Automaten – so stellt man sich so ein Lager vor.


(Der Eingang zu den Vereinsräumen)

Reiner sammelt seit fast dreissig Jahren (Video-)Spielautomaten, seine Kollegen sicher ebenso lange Flipper. In dieser Zeit sammelt sich naturgemäß einiges an, das war mir auch klar, aber meine kühnsten Erwartungen sollten übertroffen werden.

Völlig übermüdet von einem langen Tag voller Retro-Eindrücke, der nicht unerheblichen Lautstärke und nach dem Entladen von Sailorsats zahllosen Equipment machten wir uns auf den Weg in das nahegelegene Rodenbach. In der Bahnhofsstrasse fanden wir dann auch die Räumlichkeiten des Vereins, der sogar über ein eigenes kleines Schaufenster verfügt. Reiner, ein Teenager mit Sammelleidenschaft, gefangen im Körper eines distinguiert auftretenden Mittvierzigers, erwartete uns bereits vor Ort.

Bereits im Eingangsbereich, dem Raucherzimmer mit Sitzgelegenheiten, begrüßten uns bereits ein Battlezone-, ein Pole Position und ein Missile-X-Automat. Das fing schon mal gut an, dachte ich. Meine Augen weiteten sich dann im Vorraum, mein übernächtigtes Gehirn rief vergessen geglaubte Bilder auf, denn hier standen Automaten, die auch uninteressierten Zeitgenossen die Tränen in die Augen treiben können: Echte Wunderwerke der Mechanik und Elektrik, meist im herrlich neuwertigen Zustand buhlten um die Wette und um meine Aufmerksamkeit.


(Teil der Flippersamllung rechter Hand, „neuere“ Geräte)


(Teil der Flippersammlung linker Hand, ältere Geräte)

(linke Hand und mittlere Reihe)


(Teil der Flipper, quer vor Kopf der mittleren Reihe)


(einträchtig nebeneinander: Schiess-, Flipper- und Arcadeautomaten)

In der Lounge, mit Sofas, Theke und Barhockern bekam ich alleine schon durch das göttliche Asteroids einen leichten Bufferoverflow, der sich in der Flipperabteilung zu einem systemweiten Versagen der Aufnahme- und Verarbeitungsgeräte ausweitete. Von wegen eine Handvoll Flipper! Ich musste irgendwann an dem Tag gestorben und im Zockerparadis wieder auferstanden sein.


(Asteroids Arcadecab)


(Joust)


(im Vorraum)


(in der Lounge)


(Automaten mit Sitzecke und zwei Tables)


(Rootbeer Tapper in der Lounge)


(Gauntlet im der Lounge)


(Reiner an der Lounge-Theke)


(Gemütlich, stilecht: Indy Jones wacht über zwei Sofas und zwei Cocktail-Tables)

Ich lief dann eine ganze Weile hysterisch stammelnd und sabbernd zwischen den Geräten umher und versuchte der Eindrücke Herr zu werden. Vergeblich.

Wir machten aus, dass ich den Verein mit Fotoapparat und Kamera bewaffnet in den nächsten Tagen besuchen solle um einen (diesen) Bericht über For Amusement Only zu schreiben.

Ich zog also das Wochenende darauf los, um mit den Kids, einem Photoapparat und der Videokamera bewaffnet, die Räume des „FAO“ erneut zu besuchen.

Moto Champ

Zuerst nahmen wir uns den Sega Moto Champ vor, das ist ein elektromechanischer Automat von 1973, auf dem man ein Motorradrennen spielen kann. Die Strecke kennt keine Kurven, aber dafür halten die gegnerischen Fahrer rein gar nichts von Fairplay. Da wird gedrängelt, geschnitten und geschubst, dass es in Flensburg alle Highscores der Verkehrssünderkartei sprengen würde.


(Sega Moto Champ von 1973)


(Moto Champ-Display mit Zeituhr)

Das Spielprinzip ist simpel: Nach dem Einwurf von 50 Pfennigen (wenn es noch welche gäbe) und dem Start läuft die Zeit ab. Hat die Uhr einmal die Runde gemacht stoppt das Spiel und das Motorrad, welches vorne liegt, hat gewonnen. Dass dies in den eher seltenen Fällen der Spieler ist, liegt am knackigen Schwierigkeitsgrad des Spieles. Wird der Spieler von den anderen Fahrern abgedrängt, bzw. berührt er diese, stoppt das Spiel, ein großer Schlagbolzen lässt den Lenker nach oben ausschlagen und das Spielermotorrad wird durch eine Hebemechanik an das Ende des Feldes gesetzt. Sodann wird das Rennen fortgesetzt. Nach vier Berührungen ist das Spiel ebenfalls zu Ende und der Fahrer disqualifiziert.


(Blick durch die Rückwand: rechts „oben“ ist das Spielermotorrad mit Steuerstange zu sehen)


(kein Wheelie, sondern die Penalty-Strafe: Das Motorrad wird angehoben und hinter dem Feld abgesetzt)


(Magnet unter dem Motorrad, gleitet durch eine Schutzfolie)

Damit man nicht mit einer beherzten und schnellen Bewegung sein Motorrad aus der Gefahrenzone bugsieren kann, werden die Lenkerbewegungen durch einen Elektromotor umgesetzt. Ein Herumreissen des Lenkers bewirkt keine schnellere Bewegung des Fahrers, jedenfalls konnte ich keine entdecken. Nein, der Fahrer lässt sich Zeit beim Ausweichen, so dass man öfter als es einem lieb sein kann, das Gas lupfen muss.


(geöffnete Rückwand mit Elektroinstallation)

Die Fahrbahn ist eine einfach weisse Kunststofffolie, auf der sich die gegnerischen Motorräder hin und her bewegen. Auf der Unterseite befindet sich eine Art Planetengetriebe ohne Hohlrad, also einfach eine große Scheibe auf der sich zwei weitere kleinere Scheiben drehen. Auf diesen befinden sich wiederum je zwei Magnete, die die Motorräder auf der Fahrbahnoberseite bewegen. Man kann sich das ganze so vorstellen, dass die Motorräder die Monde von zwei Planeten sind, die sich um eine Sonne drehen. Die Sonne wiederum wird durch den Kettenantrieb mitsamt des „Planetensystems“ vor und zurück bewegt.


(Blick in die Mechanik: links der Keilriemen- und Kettenantrieb, der das Planetengetriebe vor und zurück bewegt)


(gut sichtbar: zwei kleine Plantenscheiben führen je zwei Magnethalter für die Spielfiguren)

Die Bewegungen des Starterfeldes wirken also relativ unberechenbar, das kann man schön am Zeitraffer im Video sehen.

Die Illusion der Bewegung wird einzig durch eine Art Overheadfolie (die älteren unter uns kennen das noch) erzeugt, auf der ein Mittelstreifen und einige Querfugen aufgemalt sind und durch die eine Lampe scheint erzeugt. Je nach dem, wie weit der Gashahn aufgerissen ist, dreht sich die Folie, die auf einer Super-8-Filmspule befestigt ist, schneller oder langsamer. Gleichzeitig schiebt die kettengetriebene Mechanik das gesamte Starterfeld vor oder hinter das Spielermotorrad. Man überholt oder lässt sich zurückfallen.


(simpel aber effektiv: sich drehende „Overheadfolie“, oben das leere Achtspurtape)

Hat man das Rennen gewonnen, so bekommt man ein Freispiel. Bei einem Preis von 50 Pfennigen für eine knappe Minute Fahrspass war das auch bitter nötig. Zur Gewinnmaximierung soll der Betreiber die zur Verfügung stehende Zeit auch ändern können. Reiner hat bisher aber noch nicht getestet, in welchen Bereichen dies funktioniert.

Das ausgestellte Spiel hat drei kleine Fehler. Die originale Achtspurkassette mit den Fahrgeräuschen fehlt leider komplett, am Ende des Rennens wird keine Ziellinie auf die Fahrbahn projiziert, so dann man beim Ermitteln des Siegers rein auf die Anzeige im Display (siehe Bild) angewiesen ist (im Zweifel gewinnt man eben immer). Der letzte Fehler ist rein optischer Natur: Im Laufe der Jahrzehnte verschmutze und beschädigte das Spielermotorrad den Teil der Fahrbahn, auf den wohl die meisten Rechtshänder automatisch ausweichen. Alle Fehler sind nicht schlimm und beeinträchtigen den Spielspass nicht merklich. Die Geräusche der Mechanik und die Beleuchtungseffekte machen jedwedes Manko wieder wett.

Super Speedway

Interessant war auch noch ein weiterer Rennautomat der Pre-Videogames-Ära: Super Speedway von Chicago Dynamics Industries Inc.! Ich sag mal so: als spielbar empfinde ich diesen Automaten auf keinen Fall, dafür ist die Strasse zu schmal oder die Autos zu breit. Nichtsdestotrotz ist die Umsetzung der Spielidee einige Worte wert.


(Super Speedway, Zeuge einer vergangenen Epoche)


(Projektion auf eine Mattscheibe)

Anstelle eines Monitors befindet sich im Automat eine liegende(!) Mattscheibe, auf die der Spieler über einen Spiegel und eine große Linse blickt. Auf die Mattscheibe werden durch eine einfache Projektorlampe verschiedene runde Folien projiziert. Eine für die Strecke und jeweils eine für die verschiedenen Rennautos, die die Strecke unsicher machen. Das Spielerfahrzeug ist ein einfacher, undurchsichtiger Scherenschnitt, der vor den rotierenden Scheiben hin und her bewegt wird. (siehe Video)

Scheiben sind rund, also fährt man bei dieser Simulation – ganz im Gegensatz zum Moto Champ – ständig im Kreis. Ansonsten sind die Spielprinzipien sehr ähnlich. Der Moto Champ ist aber durch die „echten“ Motorräder deutlich spektakulärer. Der Super Speedway ist da deutlich zweidimensionaler.


(Projektionsscheibe mit Kettenantrieb)


(Sportlenkrad der 70er. Ein Kadett B hatte etwas ähnliches verbaut)

Die Geschwindigkeit wird durch die Scheibe mit den Bäumen und der Strecke simuliert, die unterschiedlichen relativen Geschwindigkeiten der Gegner ergeben sich durch unterschiedlich schnell drehende Scheiben mit den verschiedenfarbigen Rennautos. Die Geräusche sind eine mittlere Zumutung, die Darstellung unbrilliant, die Steuerung ein Graus und die Schwierigkeit ist immens – aber meine Güte, was atmet das Ding den naiven Geist einer längst vergangenen Zeit! Sagenhaft!

Das Gerät kenne ich noch aus meiner Kindheit und ich muss einfach der jüngeren Generation zurufen: „Wir hatten nix anderes!“

Schiessautomaten

Bleiben wir mechanisch und berichten kurz von den beiden Schiessautomaten „Bonanza“ und „Haunted House“. Die jüngeren unter uns kennen das ja nicht mehr. Das Spielprinzip entspricht einer dieser Jahrmarktsschiessbuden, bei denen man auf sich bewegende Enten und Blumen schiessen muss. Zu gewinnen gibt es auch hier – ausser Punkten – rein gar nichts. Die Diaramen sind ähnlich wie in der Schiessbude aufgebaut und bieten statische und bewegliche Ziele. Die Darstellung und die Geräuschkulisse sind nicht bierernst, sondern eher Comichaft. Kein Vergleich zu der eher realistischen Darstellung späterer Shooter.

Auch bei diesem Automaten muss man sagen: Sowas wird heute gar nicht mehr gebaut! Ja, ja, das stimmt schon! Die beweglich angebrachten Gewehre sind keine martialischen Uzis oder Maschinengewehre, sondern erinnern an alte Luftgewehre. Der Schaft ist nicht aus schnödem Plastik, sondern aus echtem Holz und Metall.

Flipper & sonstige Automaten

Den größten Platzbedarf hat natürlich die Flipperabteilung. Dort findet man Flipper aus geschätzten fünf Jahrzehnten. Von den ersten Modellen „mit ohne allem“ bis hin zu halben Videospielen ist alles vertreten. Spaß machen die durch die Bank alle – eine irre Zeitreise ist auch dort garantiert.


(Derby Day, anspielen der Nummern lässt das zugehörige Pferd vorpreschen)


(so wunderschön wie schlicht: Captain Kidd Flipper)

Auch wenn ein Flipper sicher die Königsklasse unter den elektromechanischen Automaten ist, so kann sich doch auch ein Laie, die nötige Hartnäckigkeit und den Lernwillen vorausgesetzt, in dessen Materie einarbeiten und die meisten Schäden in Eigenregie beheben. Bei Videoautomaten der letzten Generation wird dies nicht immer möglich sein, so wie der defekte VR-Automat eindrucksvoll zeigt, an dem zur Zeit der Sailorsat zugange ist.


(noch defekter VR-Automat)

Bei dessen Restauration hilft nur profundes Fachwissen um die PC-Technik der vergangenen Tage. Nein, hier geht es um etwas mehr, als einen 486er aus Standardteilen wieder auferstehen zu lassen, denn dieses Gerät beherbergt hochspezialisierte Hardwarekomponenten, für die de facto kaum Ersatz zu beschaffen ist. Dieses Projekt wird das Team von For Amusement Only sicherlich noch viele Wochen oder Monate beschäftigen. Wenn es aber fertig ist, wird es sicher eines der Highlights der Ausstellung.

Ein Greiferautomat, bei dem es nichts zu gewinnen gibt? Das kann nicht sein, oder? Doch, denn aus Junkyard kommt nicht einmal ein lausiges Plüschtier, oder genauer: eines der Matchboxautos, die der Spieler von der einen zur anderen Seite via Greifer heben muss.


(Greifer ohne Gewinne: Junkyard)

Ebenfalls defekt ist leider noch ein anderer Automat, Space Pilot, bei dem man ein propellergetriebenes Raumschiff auf jeweils bestimmten Höhen an vier Masten vorbeifliegen lassen muss. Ein Ausleger am Heck muss jeweils ein Gegenstück am Mast berühren, um Punkte zu sammeln. Der Propeller, der für den Vortrieb sorgt ist noch defekt, der für das heben funktioniert aber noch einwandfrei. Sicher wird auch dieser Automat im wunderschönen Originalzustand bald wieder zu bespielen sein.

Nur als gigantisch, ist ein Bowling-Automat zu bezeichnen. Der Schaltplan erinnert an Burda-Schnittmusterbögen oder den Stadtplan von Berlin, er ist nur deutlich größer als diese. Auch in diesem Automaten steckt noch jede Menge Arbeit, bis er wieder im alten Glanz erscheinen wird.

Das soll jetzt nicht den Eindruck erwecken, dass die meisten Automaten nicht funktionieren würden. Die o.a. Geräte sind sicher die kommenden Sensationen der Ausstellung, daher möchte ich sie nicht unerwähnt lassen.

Die allermeisten Flipper funktionieren einwandfrei, ebenso die ausgestellten Videoautomaten. Im Keller konnte weiterer Lagerplatz gemietet werden, so dass die Ausstellung in den oberen Räumen nun nicht mehr auch als Lagerplatz und Werkstatt dienen muss, sondern nach und nach einen deutlich repräsentativeren Charakter erhält.

Sehr gelungen ist auch der Lounge-Bereich mit gemütlicher Sitzgruppe, TV, Stereo, einer Theke und natürlich jeder Menge Videoautomaten. Zwei gegenüberstehenden Sofas laden die Besucher ein, Platz auf ihnen zu nehmen, um an zwei Cocktailtischen Time Pilot und Bombjack zu spielen. Im Eingangsbereich finden auch Raucher ein trockenes und warmes Plätzchen, ohne die anderen Mitglieder des Vereines zu belästigen. Die Kollegen mit den Flippern haben einen eigenen großen Saal, das ist auch gut und richtig so, da der Radau den diese Geräte verursachen zwar beim Spielen gut und wichtig ist, aber beim Kaffeetrinken an der Bar jedes Gespräch unmöglich machen würde.

Das ehemalige Lager des Schlecker-Marktes erweist sich also als perfekt in Schnitt und Größe für dieses Art von Vereinsräumen. Thematische Abgrenzungen, ein Bereich zum Entspannen, gute Erreichbarkeit, nette Leute und natürlich die viiiiielen tollen – und vor allem kostenlos nutzbaren – Automaten sind in unserer Region und auch im weitem Umkreis absolut einzigartig. Jeden ersten Samstag im Monat können sich interessierte Besucher durch den Erwerb einer Tagesmitgliedschaft für fünf Euro selber ein Bild davon machen.

Natürlich will ich Euch auch das gedrehte Video nicht vorenthalten. Es ist mir klar, dass die Erklärungen zu den beiden elektromechanischen Fahrsimulatoren nicht sonderlich plastisch sind, daher könnt Ihr hoffentlich im Video einigermassen erkennen, wie die Geräte funktionieren. Aber auch die Funktion der Schiessautomaten wird darin ersichtlich.

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