Aufbau eines Arcadeautomaten

Wenn man zu Hause etwas Platz übrig hat, der nicht von der besseren Hälfte frei von interessanter und unterhaltsamer Technik gehalten wird, dann spielt man(n) natürlich mit dem Gedanken dort etwas Nützliches und zugleich ästhetisches aufzustellen, nämlich den Traum, den man(n) seit Jahrzehnten geträumt hat: Einen Arcade-Automaten! In diesem Bericht geht es darum, diesen Traum Realität werden zu lassen.

Ich beschreibe hier, wie _ich_ einen Arcadeautomaten aufgebaut habe. Ihr sollt (und könnt) Euch nicht sklavisch an meine Ausführungen halten. Andere, die an so einem Projekt gearbeitet haben, haben sicher gänzlich unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Man kann ganz sicher total nette Sachen (Joystick-USB-Konverter, AIO-Rechner für JAMMA-Anschlüsse, etc.) für gutes Geld kaufen. Als landläufig anerkanntes Sparbrötchen war das aber nicht mein Weg. O.k., ich gebe zu, dass ich erst später von diesen im Prinzip tollen Möglichkeiten erfahren hatte, bei Beginn meiner Planungen kannte ich aber nur den Ackade-Emulator MAME und hatte seit einigen Jahren einen alten Acadeautomaten mit defektem Monitor. MAME benutzte ich vor Jahren mal auf einem 486er-Notebook und spielte im Urlaub einige klassische Spiele damit.

Freaks, die einen Automaten in einem Zustand haben wollen, der besser als neu ist, die sollte hier aufhören zu lesen. Mein Automat soll ruhig die Spuren der Zeit stolz zur Schau stellen. Ein Austausch der T-Moldings (die Kanten“umleimer“) oder der Sticks und Knöpfe kam nicht infrage. Ebenso war nach dem Ableben des Arcade-Monitors klar, dass ich einen 21″er und ein Mainboard aus dem PC-Bereich einbauen wollte. VGA-Arcade-Wandler kosten etwas über 100,- EUR, ein 21″er nur rund ein Zehntel. Außerdem wollte ich viele Spiele zur Auswahl haben, ohne jedes Mal die Platine austauschen zu müssen.

Begrifflichkeiten

Was benötigen wir für einen Arcade-Automaten? Zuerst natürlich das Cab (Cabinet). Dieses ist meist aus Spanplatten aufgebaut und verdammt schwer. Im oberen Bereich ist das Marquee, also die Leuchtreklame für das eingebaute Spiel. Darunter der Monitor, entweder hochkant oder quer eingebaut und mit dem Beezel als Einfassung, einem bunten Papprahmen. Davor das Bedienpanel mit den Joysticks. Weiter unten sind die Geldeinwürfe mit den Münzprüfern. An den Seiten finden sich bunte Bilder, die sogenannten Sidearts. Die Rückseite ist zum größten Teil abnehmbar, im oberen Bereich finden sich meist Griffmulden und unten am Boden Rädchen, sodass man den Automaten ebenerdig auch alleine (wie eine Schubkarre) transportieren kann.


(Standard-Cabinet auf dem VCFe)


(Beleuchtetes Marquee)


(Oberes Teil des Bezel)


(Bezel, grün; links und rechts neben dem Monitor. Oberes Bezel nicht korrekt befestigt)

Gehäuseformen

In diesem Bericht behandele ich ein Standard-Arcade-Gehäuse, es gibt aber noch Tabletops, die wie ein unter dem Bedienpult abgesägtes Standard-Gehäuse aussehen und auf einen Tisch oder eine Bar gestellt werden, Wandgeräte, die meist mit einem LCD-Monitor daherkommen und deutlich flacher sind, Cocktail-Tische, welche so groß wie ein kleiner Wohnzimmertisch sind und zuletzt die Königsklasse, nämlich Sit-In-Geräte (meist Fahrsimulatoren mit Sitz). Ferner gibt es noch Touch-Geräte, die mit einer berührungsempfindlichen Scheibe vor dem Schirm ausgestattet waren und seit jeher mit Windows-Versionen und einem PC funktionierten. Diese fallen für die klassischen Baller- und Prügelspiele flach, da sie keine Joysticks. Riesige Arcade-Geräte mit einer Rückprojektionsfläche nehmen dermaßen viel Platz weg, dass wir diese nur in den seltensten Fällen in einem Privathaushalt zu sehen bekommen werden.

Bezugsquellen für Gehäuse

Es kommen also nur Standard-Geräte, Tabeltops, Wandgeräte und die Cocktails in Betracht. Ihr bekommt so einen Automaten entweder vor Ort bei Automatenaufstellern (Löwen-Automaten, etc.) oder bei einschlägigen Internethändlern (Alpha-Electronic). Auch privat findet Ihr sicher welche auf dem Arcade-Board und auf Arcadeinfo. Die Leute sind ausnahmslos sehr nett und es herrscht ein freundlicher Tonfall. Ab und an gibt es dort aber auch einen Troll, der versucht arglosen Usern Baupläne oder ganze Selbstbauarcadeautomaten für teuer Geld zu verkaufen. Reagiert man auf sein Angebot nicht innerhalb von drei, vier Stunden, so wird man per Mail massiv beschimpft. Solche Angebote einfach ignorieren, wenn es sich um einen neu angemeldeten User mit wenigen Postings handelt. Früher oder später wird er von den Betreibern wieder gekickt.

Solch ein Cabinet kostet je nach Zustand und eingebauten Gerätschaften ab 60,- EUR aufwärts. 120,- EUR für ein optisch gutes, aber leeres Gehäuse klingt erst mal viel, aber lasst Euch mal Spanplatten im Baumarkt zuschneiden, ihr werdet staunen, wie sich das summiert. Dazu kommen noch die Knöpfe und Sticks. Diese sind nicht kostspielig, aber auch diese vermeintlichen Kleinteile wollen bezahlt werden. Eine gute Bezugsquelle für Zubehör und Ersatzteile ist der Arcadeshop.

Meinen Automaten bekam ich vor Jahrzehnten geschenkt, als ich einen Ferienjob bei Löwenautomaten hatte. Er war noch voll funktionsfähig und eingebaut war Pooyan, obendrein legten die netten Leute auch noch eine Phoenix-Platine mit bei.

Software

Als Betriebssystem kommen eigentlich alle halbwegs modernen OS infrage. OS X, Linux, BeOS oder Windows – MAME, den Open-Source-Emulator für Arcadeautomaten, gibt es für alle. Windows hat den Nachteil ewig zu booten und den Benutzer dazu zu zwingen, sich mit dem System statt der Aufgabe beschäftigen zu müssen. Leider ist der große Vorteil der tolle MaLa, der MAME-Launcher. Dies ist ein Auswahlmenü (ein sog. Frontend), welches man mit den Joysticks und den Tasten steuern kann und das den bequemen Zugriff auf die Spielesammlung erlaubt. MaLa ist Freeware. Ich benutze bei mir unter Windows XP MAME, MaLa und JoyToKey. Versionsnummern spielen keine Rolle, die ändern sich so schnell und diese Anleitung soll eben nur als AnLEITUNG dienen.

Hinweis: MaLwird nicht mehr weiterentwickelt, hier sind aber Alternativen: *klick*

Mainboard

Wie zuvor erwähnt: Ich setze hier ein stinknormales PC-Board ein. Da ich nur Klassiker zocken wollte, nutzte ich erst einen AMD K6-2+ mit 550 MHz. Dieser Notebook-Prozessor verblies mit seinem großen Cache seinerzeit in (einigen) Benchmarks selbst die Athlons. Unnötig zu sagen, dass Intel nichts in dieser MHz-Klasse hatte, was dieser CPU das Wasser reichen konnte. Aber generell reicht für eine ältere MAME-Version ein Rechner der 500 MHz-Klasse. Mit einer aktuellen Version laufen darauf aber selbst so Spiele wie Space-Invaders nur noch ruckelnd. Alte Spiele + lahme Hardware = alte MAME-Version. Da ich aus Gründen eines robusteren Aufbaus gerne ein Micro-ATX-Board mit VGA und Sound onboard haben wollte, werkelt mittlerweile ein Athlon XP mit 256 MB in meinem Cab.

Grafikkarten

Man kann nahezu alle Grafikkarten benutzen, da die alten Spiele und auch MAME keine 3D-Effekte benutzen. Die Onboard-Lösungen sind alle brauchbar, ebenso aber auch PCI-Karten, da die Hauptarbeit von der CPU erledigt wird. Will man einen Arcademonitor verwenden, weil der noch in Ordnung ist, so sollte man auf Matrox-Karten zurückgreifen, da sich diese mit relativ wenig Aufwand (gerade unter Linux) auf eine Ausgabefrequenz einstellen lassen, die die originale Bildröhre auch verträgt. Auf meinem Mainboard arbeitet eine S3 Savage Pro.

Monitor

Ich benutzte einen 21″-Monitor von HP mit gewölbter Bildröhre. Der originale Arcademonitor im Cab hatte ebenfalls diese Größe. Natürlich sind auch TFTs denkbar, aber nicht unbedingt stilecht. Generell haben PC-Monitore gleicher Diagonale eine längere Bauweise als Arcademonitore, da sie eine gleichmässige Schärfe bis in die Ecken haben müssen und dies nur durch eine geringere Ablenkung des Elektronenstrahls der Bildröhre realisiert werden kann. Der große Nachteil beim Einsatz eines PC-Monitors ist der begrenzte Platz der Cabs nach hinten. Je flacher der Monitor im Gehäuse liegt, desto unkritischer ist der Einbau. In meinem Falle sägte ich die Rückwand aus, damit ich die fünf Zentimeter, die der Monitor über die Rückseite des Cabs ragte, gewinnen konnte.


(Ausgebauter Arcademonitor von Hantarex mit Schutzbügel und Einbaurahmen)

Sound

Stilecht ist es, den alten Lautsprecher zu benutzen. Da aber die meisten Onboard-Soundkarten keinen aktiven Verstärkerausgang haben, griff ich zu einem billigen 2.1-System von Hama. Das macht ordentlich Druck und ist durch die geringe Größe einfach zu verbauen.

Joysticks

Um die alten Joysticks auf USB umzusetzen, kann man USB-Konverter kaufen oder aber zu alten Gamepads greifen. Das Gamepad sollte mindestens so viele Tasten haben, wie Euer Cab für jeden Spieler bereithält – zzgl. Coin, NewGame, Player 1 und Player 2. Ich kaufte bei Reichelt digitale USB-Gamepads von Thrustmaster und lötete an diese die Joystickkabel. Bei solchen Lösungen kann es zum Prellen kommen, d.h. das ein Kontakt irrtümlich als zweimal geschlossen erkannt wird. Die Spielfigur hüpft also zweimal statt nur einmal. Ich kann diese Effekte nicht bestätigen, alles funktioniert einwandfrei. Bei einem Preis von 5,- EUR pro Pad kann man das Risiko aber durchaus eingehen.

Marquee und Bezel

Bei meinem Cab war das Maquee komplett nicht mehr vorhanden. Sidearts hatte das Gerät nie und das Bezel befand sich in einem erbärmlichen Zustand. Ich habe mir ein neues Marquee und ein Bezel am Rechner erstellt. Im nahegelegenen Copyshop liess ich mir diese auf Folie ausdrucken. Papier kann man vergessen, das Marquee ist breiter als ein A3-Blatt lang ist, außerdem würde man die Struktur des Papiers sehen. Das Bezel besteht bei mir nur noch aus zwei schmalen Streifen links und rechts neben den Monitor, anstatt eines durchgehenden Rahmens und einer Abdeckung zwischen Monitoroberkante und Lautsprecherabdeckung.

Sidearts

Als Sidearts habe ich mir einige Figuren und Logos auf selbstklebendes Papier ausgedruckt und dieses mit Klarlack mehrfach lackiert, damit es nicht zu dick wurde. Ich empfehle aber statt zu lackieren, DeCeFix Klasichfolie zu verwenden, da das Papier durch den Klarlack einen Pergamenteffekt bekommt.

Eine Seite beklebte ich mit Pac-Man-Figuren, die ich aus verschieden farbigen DeCeFix-Rollen ausgeschnitten hatte, mit gesprühter Seifenlauge auf dem Cab ausrichtete und dann mit einem Rakel ausstrich. Ja, das ist natürlich nicht… toll, aber mein Cab steht im Gästezimmer zwischen einem Schrank und einer Wand, so dass man die Sideart ohnehin nur auf Ausstellungen zu sehen bekommt. Durch den Transport sind sie auch schon teils zerkratzt, aber das tut mir nicht weh, sondern verleiht dem Automaten nach meiner Meinung eine gewisse Patina.

Massenspeicher

Das normalste ist, eine Festplatte zu benutzen. Aber da habe ich ja noch mehr Kabellage im Gehäuse. Simpel, billig, einfach zu installieren aber auch relativ langsam ist ein CF-IDE-Adapter. Dieser wird direkt in den IDE-Port des Mainboards gesteckt. Alternativ wäre noch ein fest eingebautes CD/DVD-Laufwerk zu erwähnen, mit dem man eine eventuell angepasste MAME-Version auf einer Linux-Live-CD starten kann.

JAMMA

(Japan Amusement Machinery Manufacturers Association) Die meisten Automaten ab 1986 haben Stecker nach den Normen dieses Verbandes. Damit konnte man in jeden Automaten die verschiedenen Platinen (Spiele) der Hersteller stecken. Der Stecker setzte die Anschlüsse von Monitor, Joysticks und der Pushbuttons zur Verfügung.

Haftungsausschluss

ACHTUNG! NICHT NACHMACHEN!

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  10. 230 Volt sind tödlich!
  11. Kein Backup? Kein Mitleid!
  12. Meine 3D-Modelle sind nur Machbarkeitsstudien, keine geprüften, funktionsfähigen Bauteile.
  13. Die beschriebenen Tätigkeiten sind in der Folge rein akademischer Natur.
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Ausgangslage

Hier die Ausgangslage, wie ich sie hatte:


(Monitor defekt, Bezel am Ende)


(Leeres Arcadegehäuse)

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