Alles über Reifendruckkontrollsysteme

Ein Reifendruckkontrollsystem ist bei Neuwagen Vorschrift. Schlicht aus Energieeinspar- und Sicherheitsgründen. Im Twizy kämpfte ich immer wieder mit nachlassendem Reifendruck. Was taugt ein Nachrüstsystem?

Reifendruckkontrollsysteme

Es gibt tatsächlich gleich mehrere Gründe für den Einsatz eines RDKS:

  • Sicherheit: Ein RDKS warnt Dich, wenn der Reifendruck zu niedrig ist. Ein zu niedriger Reifendruck kann zu Unfällen führen, da das Fahrzeug bei zu niedrigem Reifendruck weniger kontrollierbar ist. Der Reifen ist der einzige Kontakt des Fahrzeuges zur Fahrbahn. Kein Aissitenzsystem der Welt kann das ändern.
  • Kraftstoffverbrauch: Ein optimaler Reifendruck kann den Kraftstoffverbrauch um bis zu 0,3 Liter pro 100 Kilometer senken.
  • Reifenverschleiß: Ein optimaler Reifendruck kann den Reifenverschleiß um bis zu 20 % verringern.

Hier einige konkrete Beispiele für die Vorteile von RDKS:

  • Unfälle: Eine Studie der US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA zeigt, dass RDKS die Zahl der Unfälle mit Reifenschäden um 20 Prozent reduzieren kann.
  • Kraftstoffverbrauch: Der ADAC gibt an, dass ein optimaler Reifendruck den Kraftstoffverbrauch um bis zu 0,3 Liter pro 100 Kilometer senken kann.
  • Reifenverschleiß: Ein Artikel des Bundesverbandes Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV) führt an, dass ein optimaler Reifendruck den Reifenverschleiß um bis zu 20 Prozent reduzieren kann.

In der EU sind RDKS seit dem 1. November 2014 für Neufahrzeuge vorgeschrieben. Die meisten Neufahrzeuge sind daher bereits mit einem RDKS ausgestattet. Für ältere Fahrzeuge gibt es Reifendruckkontrollsysteme als Nachrüstlösung.

Funkstandards

Direkte Reifendruckkontrollsysteme arbeiten mit zwei verschiedenen Funkstandards: Bluetooth Low Energy (BLE) und dem klassischen 433 MHz Funkprotokoll.

Die Reichweiten sind irrelevant, werden aber immer wieder angegeben. Sei es drum: realistische 30 m bei 433 MHz und 10 m bei BLE. Alles darüber hinaus ist nur bei direkter Sichtverbindung möglich und reines Marketinggewäsch.

Ebenso irrelevant, aber in Zeiten, in denen Leute so blöd sind und ihre Hausfassaden bei Google Streetview, aber nicht die Luftbilder ihrer Grundstücke auf Google Maps verpixeln lassen, muss man es wohl erwähnen: Der 433 MHz Funkstandard ist nicht verschlüsselt. Böse Nachbarn können also nach Eurem Luftdruck scannen, wenn Ihr losfahrt. Wow. Welches Angriffsszenario wohl dahinterstecken mag?

Werks-RDKS

Direkte Systeme (dTPMS)

Meistens werden 433 MHz oder BLE-Sensoren von den Automobilherstellern verwendet. Diese nennt man „direkte Systeme“, da ein Sensor anstelle des Reifenventils in die Felge eingesetzt wird und so den Reifen direkt überwacht.

433 MHz interner RDKS Sensor Lumu (Diskussion), CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Indirekte Systeme (iTPMS)

Es gibt allerdings auch bei den Serien-RDKS „indirekte Systeme“.

Einige Hersteller benutzen das ABS, um den durch einen Druckverlust veränderten Abrollumfang zu erkennen. Bei anderen wird ein Hall-Sensor verwendet, der Schwingungen des Rades erfasst. Diese ändern sich je nach Reifendruck. Diesen Effekt kennt jeder, der mal einen Autoreifen hat springen lassen. Man spürt und hört sogar, ob der Reifen zu wenig Luft hat.

Diese Systeme erkennt man daran, dass kein expliziter Reifendruck im Display im Armaturenbrett angezeigt werden kann. Vorteil ist hier allerdings, dass keinerlei Folgekosten für neue Sensoren entstehen. Das ist tatsächlich sehr kundenfreundlich.

Das iTPMS ist zwar etwas ungenauer und langsamer als das sehr viel mehr Gewinn versprechende dTPMS, aber eben auch sehr viel besser für die Kunden (Kosten) und die Umwelt (Elektroschrott).

Vermeidbare Reifenberge

Nachrüstlösungen

Die nachrüstbaren Reifendruckkontrollsysteme (RDKS) oder Tire-Pressure Monitoring System (TPMS) gibt es in verschiedenen Geschmacksrichtungen und mit internen und externen Sensoren. In der Regel wird die bewährte und robuste 433 MHz Funktechnik verwendet.

Um Batterien zu sparen, werden die Sensordaten nur übertragen, wenn sie sich ändern. Beispielsweise, wenn der Luftdruck sinkt oder die Temperatur steigt.

Eine steigende Temperatur kann mit sinkendem Reifendruck einhergehen, weil der Reifen weicher und dadurch mehr durchgewalkt wird. Aber auch eine hängende Bremse kann eine Erhöhung der Temperatur bewirken. Eine Temperaturanzeige ist also durchaus sinnvoll.

Unterschiede zu Serien-Systemen

Die Nachrüstsysteme mit internen Sensoren unterscheiden sich technisch nicht von denen der Automobilhersteller. Außer natürlich darin, dass man bei den Nachrüstsystemen ein separates Display benutzen muss und die Warnungen nicht im Armaturenbrett erscheinen.

Es gibt allerdings eine Möglichkeit, RDKS/TPMS-Sensoren zu klonen und so in die Fahrzeugelektronik zu integrieren. Dazu weiter unten mehr.

Speaking of Display: Es gibt hier generelle Unterschiede bei den Nachrüstsystemen:

Standalone

433 MHz-Syteme mit eigenem Display. Diese Geräte haben meist einen kleinen Akku eingebaut, der durch ein kleines Solarpanel geladen wird. Man kann diese von innen an die Windschutzscheibe oder auf das Armaturenbrett kleben.

Das Display geht nach einiger Zeit wieder aus und aktiviert sich durch einen Erschütterungssensor, wenn man in das Auto steigt. Durch die Erschütterungen während der Fahrt bleibt das Reifendruckkontrollsystem ständig eingeschaltet.

Keine Sorge, das funktioniert. Das ist so wie mit dem Kühlschrank, in dem das Licht ausgeht, wenn man die Tür schließt. Wer hat das noch nicht kontrolliert? Ja, das Display geht wirklich aus, kann man nachts sehen, bevor man in das Auto steigt.

Die Frage kommt jetzt sicher auf. Ja, man kann das 433 MHz RDKS in sein Smarthome integrieren. Mir fällt dazu nur kein echter Grund ein. Außer vielleicht, dass man so überwachen kann, ob jemand die Luft aus den Reifen lässt, während man auf dem eigenen Grundstück steht.

RDKS für das Autoradio

433 MHz-Systeme mit USB-Empfänger für ein Android-Autoradio. Hier benötigt man auf dem Radio natürlich noch die passende App. Nachteil: Das Radio muss eingeschaltet und gebootet sein, bevor der Luftdruck überprüft werden kann. Vorteil: Kein Gebamsel auf dem Armaturenbrett.

RDKS für das Smartphone

Bluetooth-Systeme für eine App auf dem Smartphone (oder dem Android-Autoradio). BLE (Bluetooth Low Energy) Sensoren sind aufwendiger zu konfigurieren, als 433 MHz-Sensoren. Ist sicher witzig, aber auf dem Telefon muss auch die App gestartet sein, sonst läuft auch hier nur die Nase.

Allerdings muss man auch ganz klar sagen, dass BLE die Zukunft bei den Reifendruckkontrollsystemen darstellt. Beispielsweise verwendet Tesla seit 2021 BLE-Reifendrucksensoren in deren Fahrzeugen.

Interne und externe Sensoren?

Interne Sensoren werden beim Reifenwechsel eingesetzt, externe kann man jederzeit auch selbst nachrüsten, indem man das Ventil am Rad einfach durch eine Kappe mit Sensor ersetzt.

Beide Systeme haben Vor- und Nachteile:

Externe Sensoren

Pro:

  • einfach selbst zu installieren
  • Batterie der Sensoren austauschbar, Lebensdauer ca. ein Jahr
  • Rad muss i. d. R. nicht gewuchtet werden

Contra:

  • großer, schwerer Sensor am Ventil
  • Gewicht am Reifenventil kann bei sehr hohen Geschwindigkeiten Probleme verursachen
  • Im ungünstigen Fall, je nach Felge, kann man am Bordstein das Ventil abreißen
  • Keine (sinnvolle) Temperaturanzeige

Interne Sensoren

Pro:

  • unauffällig
  • vor der Witterung und Bordsteinen geschützt
  • bewährtes System bei allen Herstellern

Contra:

  • können nur bei der Reifenmontage eingesetzt werden
  • schwerer, Reifen muss mehr ausgewuchtet werden
  • Batterie nicht auswechselbar
  • der Sensor ist das Ventil
  • Lebensdauer vier bis sechs Jahre, oder ein „Reifenleben“

Motorräder / Zweiräder?

Es gibt auch Reifendruckkontrollsysteme für Motorräder oder Roller. Diese haben i. d. R. externe Sensoren, sind wasserfest und kommen mit Halterungen für den Lenker.

Motorrad RDKS

Profitipp: Das kann man auch für den Anhänger oder den Wohnwagen benutzen und muss kein teures System für sechs Reifen kaufen.

Auch praktisch, wenn man im Fahrzeug bereits ein Serien-TPMS hat und das Motorrad-RDKS nun auf das Armaturenbrett legt, wenn man auch was am Agrarhaken hängen hat.

RDKS des Fahrzeugherstellers umgehen

Kann ich Nachrüst-RDKS-Sensoren statt der teuren originalen Sensoren benutzen? „Im Prinzip ja, aber …“ würde nun Radio Eriwan antworten.

Die meisten 433 MHz Sensoren sollten den Standards des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) entsprechen. Hier sind die Vorgaben nach VDA 392 und 393 zu beachten, die unerfreuliche 120 EUR pro PDF kosten sollen.

  • VDA 392: Spezifikation für die Funkübertragung von Reifendruckdaten
  • VDA 393: Spezifikation für die Datenformate von Reifendruckdaten

Das Format für die Datenübertragung sieht aber wohl so aus:

  • Header: Seriennummer, ID des Fahrzeugs
  • Datenblock: Reifendruck, Temperatur
  • Footer: Prüfsumme

Wenn das Serien RDKS in Eurem Fahrzeug keine Whitelist gespeichert hat, sollte es funktionieren. Jedenfalls nach Radio Eriwan. Aber natürlich möchte man die Kundenbindung intensivieren, sprich den Kunden abschröpfen.

Warum sollte es auch sonst einen Konfigurator geben? RDKS-Konfigurator des Bundesverbands Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk (BRV)
Man muss ja nicht nur die elektronische, sondern auch die mechanische Seite betrachten. Der Sensor soll schließlich auch in die Felge passen.

Jeder Hersteller baut sich also seinen Walled Garden für das „beste Kundenerlebnis„. Ach, okay, wirst Du nun sagen: solange man bei einem Hersteller bleibt, passt das ja untereinander. Illusionen beugt ein Blick in die Liste von Maxsensor vor.

Und Ihr regt Euch über Apple auf? Die sind doch komplett harmlos dagegen.

Man kann versuchen, das Serien-RDKS mit den fremden Sensoren zu koppeln. Für Opel (GM)-Fahrzeuge gibt es ein billiges Gerät um neue Sensoren anzulernen.

RDKS des Herstellers austricksen

Eigene Sensoren verwenden

Man kann eigene Sensoren verwenden. Tatsächlich! Dies soll laut Hersteller sogar mit 98 % aller am Markt befindlichen Fahrzeuge funktionieren.

Dazu benötigt man vier „leere“ Sensoren zum Paketpreis von rund 60 EUR. Auf diese kann man dann die Kennung seiner originalen Sensoren aufspielen, die man mit zuvor kopiert hat. Dazu benötigt man ein Gerät für 120 Euro, das LAUNCH X431 pro 3s.

120 Euro, das klingt erst mal nach viel Geld, aber wenn man überlegt, was der Reifenhandel für die Programmierung neuer Sensoren verlangt, hat sich das Gerät bereits im dritten Jahr bezahlt gemacht.

Außerdem geht nichts über das gute Gefühl, die Kontrolle über seine Reifen zurückzuerlangen.

Wenn man das Gerät im Freundeskreis einsetzt und dafür zum Grillen eingeladen wird, hat man sogar noch einen Dual-Use. 😉

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