Commodore C64 Top-Chop

Ich wollte schauen, ob man einen Brotkasten nicht doch noch zu einem „normalen“ Computer ändern kann. Der C64-II gefällt mir nicht sonderlich, ich hatte einen alten braunen Brotkasten und kann mich an das blassbeige Design der II mit den eckigen Kanten nicht gewöhnen. Von daher griff ich also zu einem fast Ur-Brotkasten (Seriennummer: WGA-17025) und legte ihn tiefer. Um immerhin 18mm. Er ist immer noch auf den ersten Blick als Brotkasten zu erkennen.

Was wäre denn gewesen, wenn Commodore Geschmack bewiesen hätte und statt ein Gehäuse zu entwerfen, dass den Namen „Brotkasten“ mehr als verdiente, etwas flacheres herausgebracht hätte? Etwas, dass nicht so klobig wie der Brotkasten wäre, aber auch nicht so unförmig wie der C64-II. Vielleicht sogar in Silber?

Meine Überlegungen gingen hin zu einem Gehäuse in Eisenglimmer von Duplicolor, eine Farbe, mit der ich auch die ferngesteuerten Buggys lackiert hatte. Diese Farbe ist extrem robust, ihr macht auch ein Überschlag bei 50 km/h nicht viel aus. Offenbar befinden sich in ihr wirklich Metallplättchen, die der Oberfläche eine nach echten Metall aussehende Struktur verleihen und sie unempfindlich machen.

Die Tastatur sollte eigentlich in Grün lackiert werden, analog zu meinem Bit90, aber das wäre zu einfallslos gewesen. Es sollte schon gewagter werden. Etwas, das fasziniert und gleichzeitig abstösst. So kam ich zu dem Entschluss, die Tastatur golden zu lackieren.

Keiner meiner C64 war ein würdiger Spender für das Gehäuse. Die sehen noch zu gut aus und unterscheiden sich im Gehäuse doch deutlich, so dass jeder nur einmal bei mir seine Heimstatt gefunden hat. Also musste ein oller CeVi her. Im VDR-Portal wurde ich fündig und bekam von Joker4791 seinen alten C64 im Tausch gegen eine DVB-S-Karte. Er hing nicht an dem Gerät und ich hatte seinen Segen daraus etwas besonderes zu basteln.

Es ist ja immer nett, wenn man ein Gerät in Originalverpackung bekommt, aber dieses hier zeigte, was passiert, wenn man einen Commodore-Rechner „vorschriftsmässig“ einlagert. Die ockerfarbene Gehäusefarbe liess eher vermuten, dass der C64 acht Wochen Cluburlaub auf den Bahamas gebay hatte, nicht dass er seit Jahren im kalten, dunklen Keller vor sich hinvegetierte.

Die Kombination Styropor, Klarsichttüte, Rechnergehäuse und Stromkabel sorgte im Laufe der Jahre dafür, dass sich das Kabel des Netzteils regelrecht in die Oberschale des C64 gefressen hatte. Vermutlich waren die Weichmacher in der Isolierung dafür verantwortlich. Die Krater waren so tief, dass man sie nicht ausschleifen konnte. Allerdings hatten die Macken alle einen aufgeworfenen Rand, den ich natürlich anschleifen musste.


(Macken durch Weichmacher im Kabel)

Bevor das nun zu einer kompletten Bildergeschichte verkommt, kürze ich hier ab: Der Weichmacher war tief in den Kunststoff eingezogen, so dass selbst der Härter in der aufgetragenen Spachtelmasse ihn nicht auszuhärten vermochte und die Grundierung großflächig um die Schadstellen nicht durchtrocknete. Mir blieb nicht viel übrig, als mit dem Dremel große Stellen auszufräsen.


(Trocknet nicht: Grundierung)


(Ausgefräst: schadhafter Kunststoff)


(Viel hilft viel: verspachteltes Gehäuse)

Machnchmal entdeckt man nach dem Schleifen noch kleinste Löcher. So auch bei mir. Dafür noch einmal einen Batzen Spachtel anrühren ist ja Verschwendung. Der alte Trick mit dem Sekundenkleber war aber wieder Gold wert. Ich trug ihn dick auf und liess ihn trocknen. „Sekunden“kleber trocknet aber nicht in Sekunden, wenn er irgendwo dick aufgebracht wurde, nein, das dauert Stunden. Am nächsten Tag musste ich den Kleber mit der Feile(!) abtragen! Mit dem 800er Papier keine Chance! Auch nicht mit dem 600er. Krass!

Aber wirksam: Glatt wie ein Babypopo.

Das Gehäuse an sich sollte flacher werden, aber die vordere Rundung sollte nach Möglichkeit immer noch einen schönen Halbkreis bilden. Dazu musste das Gehäuse also an den Schnittkanten „gechopt“ werden.


(Unterschale mit angezeichneter Schnittlinie)


(Mit der Trennscheibe eines Lidl-„Dremels“ gekürzte Unterschale)

Man kann ja noch so sauber mit einem Dremel arbeiten, die Schnittkante wird aber nie im Leben gerade werden und die Gehäuseteile würden mehr als unschöne Spaltmasse haben. Um beide Teile sauber auf eine Höhe zu bekommen, bemühte ich eine alte Tischplatte, auf die ich mit Kreppband 40er Schleifpapier befestigte.


(Tischplatte mit Schmirgelpapier und der Oberschale)

Diese Arbeit geht schnell von der Hand. Das Schmirgelpapier ist so grob, dass es ordentlich Material abnimmt und man schon bald ein schönes erstes Ergebnis bewundern kann.


(Mutig stimmendes Zwischenergebnis)

Durch das „chopen“ werden natürlich alle Ausschnitte für die Anschlüsse zu klein. Diese müssen mit dem Dremel nachgearbeitet werden. An der Seite, wo das Stromkabel und die beiden Joysticks angeschlossen werden, habe ich nicht den gesamten Ausschnitt vergrößert, sondern vor allem im Bereich der Spannungsversorgung mehr Material weggenommen, bzw. über den Joystickbuchsen den Ausschnitt fast unverändert gelassen.


(Seitliches Panel mit modifiziertem Ausschnitt)


(Hintere Ausschnitte)


(Erster Vergleich, ob sich die Arbeit gelohnt hat. Sie hat!)


(Deutlich harmonischer: vordere Rundung)

Bei dieser Tieferlegung reichte der verbliebene Platz im Gehäuse natürlich nicht für die ersten C64-Platinen in volle Baugröße aus. Die Tastatur liegt bereits vorne auf dem „Bodenblech“ auf, so dass dort nur eine kürzere Platine (250496) aus dem C64-II hineinpasst. Das war aber von Anfang an klar.

Nun machte ich mich daran, die vielen Unebenheiten, die bei der Produktion durch verborgen liegende, innere Streben für die Verschraubungen zustande kommen, mit handelsüblicher Baumarkt-Spachtelmasse von Nigrin auszugleichen. Das A und O ist das Schleifen – da gibt es keine Diskussion. Ich benutzte ausschliesslich Nassschleifpapier bis zur Körnung 800. Lieber eine halbe Stunde länger schleifen, als nachher ein hässliches Finish zu haben.

Natürlich entfernt man vorher die Schilder. Die beiden Metallschilder auf dem Oberteil kann man mit einem Fön erwärmen und dann mit einem Cuttermesser vorsichtig lösen. Das Typenschild auf der Unterseite kann man meist einfach abziehen. Irgendeine Ecke hat sich im Laufe der Zeit sicher gelöst.


(Verspachtelt und verschliffen)


(Dellen von den Verstrebungen angeglichen)


(Macke (Strich) der mit Sekundenkleber gefüllt wurde und nun absolut plan und glatt ist)

Das Gehäuse lackierte ich fast ausschliesslich mit Spraydosen von Duplicolor. Zuerst natürlich Kunststoffgrund, anschliessend noch eine Schicht graue Grundierung, damit die Deckfarbe (Eisenglimmer) gleichmässiger wird. Nach der Durchtrocknung bei 50 Grad im heimischen Backofen, die pro Lackschicht 2 Stunden dauerte und die Abkühlung über Nacht, folgte immer ein nasser Zwischenschliff.

Folgende Lackschichten befanden sich zum Schluss auf der C64:
– Kunststoffhaftvermittler
– Grundierung in Grau
– 2x Silberglimmer
– 2x matter Klarlack aus einem Kfz-Lackierbetrieb

Bitte beachten, dass Ihr die Lacke von einem Hersteller und aus der gleichen Serie verwenden solltet. Oftmals stehen die verwendeten Lösungsmittel nicht auf der Dose. Schlimmstenfalls kann sich der komplette Lack heben und Ihr fangt von vorne an.


(Gehäuseteile nach der Grundierung mit Kunststoffhaftvermittler)

Während der eher langwierigen Lackierung des Gehäuses kümmerte ich mich um die Tastatur. Die Tastenkappen sollten nicht entfernt werden. Es gibt schlicht keinen Grund dafür, da das Risiko besteht, dass der mehr als ein Vierteljahrhundert alte Kunststoff der Stempel bricht. Ausserdem müsste ich die Kappen wieder irgendwie befestigen. Bei rund 65 Einzelteile eine echte Sisyphosarbeit. Der Abstand zwischen den einzelnen Kappen beträgt knapp 2mm, da können sich beim lackieren keine Brücken bilden und der Farbnebel kommt überall gleichmässig hin. Die Gefahr, dass die Stempel verkleben besteht nicht, die liegen zu weit oben in der Taste und sind so gut vor Farbnebel geschützt.

Aber zuerst musste der Dreck von Jahrzehnten restlos entfernt werden. Dazu pinselte ich die Tastatur mit Domestos ein, rieb sie mit einem gekürzten Borstenpinsel gründlich ab und spülte sie gründlich unter Wasser aus. Zu guter Letzt rieb ich sie mit Spiritus ab. Dadurch lösen sich auch die Beschriftungen für die Grafikzeichen auf der Front. Keinesfalls sollte man später noch die Beschriftung erahnen können, denn ich wollte sie nicht wieder anbringen.


(Angelöste Sonderzeichenbeschriftung)


(Entfernte Sonderzeichenbeschriftung)


(Pragmatische Reinigung im Waschbecken)


(endgereinigte Tastatur nach der Grundierung mit Kunststoffgrund)


(Erste Schicht des Goldlacks)


(Fertige Tastatur)

O.k., die ersten User haben sich über die Tastatur erbrochen, einige die Gerstenkalschale als bunte Tröpfchen auf dem Bildschirm verteilt – aber auf Einzelschicksale kann ich keine Rücksicht nehmen und Geschmack macht bekanntlich einsam. 🙂

Lasst mich Euch nur noch eines sagen:

EURE ARMUT KOTZT MICH AN! 🙂 🙂

Die Tastatur wirkte in Gold wirklich sehr echt. Der Effekt war verblüffend und ich sah schon Modeschmuck, der dagegen wie aus Blech wirkte. Leider Lagerte ich das fertig lackierte Keyboard nach der Trocknung im Wohnzimmer auf der Anrichte. Jeder der dort vorbeikam musste sie mit einem andächtigen „Aaah!“ anfassen. Ich gebe niemanden die Schuld, ich machte es ja genauso. Leider scheint der Lack empfindlich gegen Fingerabdrücke zu sein, wenn er nicht mindesten zwei Wochen Endtrocknen konnte. Also entschloss ich mich zu einer zweiten Lackierung.

Ein großer Fehler! Mittlerweile waren die Temperaturen auf dem Dachboden so weit gesunken, dass beim zweiten Lackauftrag eine leichte Orangenhaut entstand. Da ist nichts mehr zu machen. Ich hätte jede Taste einzeln abschleifen müssen, diese Arbeit wollte ich aber nicht mehr in dieses Projekt investieren. Nun ist es eben ein winziger Hammerschlageffekt.

Die F-Tasten bekamen als Kontrastfarbe eine Lackierung in Kupfer und ich konnte das Gerät zum ersten Mal lose zusammenstecken um zu sehen wie es wirkt.


(Schrullig schräge Farbkombination in Silber, Gold und Kupfer)

Die Beschriftung der Tasten habe ich mit Nassschiebebildern (Decals) realisiert. Es gibt Blanko-Decals für Laser- und für Tintendrucker. Da keine Farbe benötigt wurde, entschied ich mich für die einfacher zu verarbeitenden Decals für den Laserprinter. Diese habe ich bei der Firma Shopartikel24 gekauft.

Als Schriftart kam „Microgramma“ zum Einsatz, die auch von Commodore selber für deren Logos benutzt wurde.


(Selbstgedruckte Nassschiebebilder)


(Erster Versuch mit den F-Tasten)

Die Applizierung ging relativ leicht von der Hand. Nach dem sehr knappen Ausschneiden der Beschriftungen mit einer Nagelschere muss man die Schiebebilder nur ganz kurz mit einer Pinzette in Wasser tauchen und dann an den Rand der Taste halten. Mit einem nassen Wattestäbchen schiebt man die Beschriftung auf die gewünschte Position und tupft sie letztlich mit einem trockenen Wattestäbchen vorsichtig an. Versiegelt wird nach dem vollständigen Trocknen mit einer dünnen Schicht Klarlack.


(Cusortastenbeschriftung beim Applizieren)


(Im Detail: Schiebebilder auf der Orangenhaut)


(Tastatur kurz vor der Fertigstellung)


(Innenleben)


(Seitenansicht)


(Direkter Vergleich mit dem Original)


(Elegantere Erscheinung als der Brotkasten im öden Beige)


(Endergebins)

Über die Farbgestaltung kann man geteilter Meinung sein, das ist völlig legitim. Ich persönlich bin mit dem Ergebnis relativ zufrieden. Auf der HomeCon IV war er auf jeden Fall eines der Geräte, die am meisten fotografiert wurden. Das ist doch auch eine Auszeichnung, oder? 😉

Danke, dass Ihr den Bericht zu Ende gelesen habt.

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