„Dachobdenfund“ – ein beliebtes Wort bei Ebay, das Hoffnungen auf einen Schnapp macht, wenn denn nicht soviele Leute danach suchen würden. Aus diesem Grunde schreiben viele Anbieter „kein Dachbodenfund“ in ihre Artikelbeschreibungen. Habe ich denn da einen echten Dachbodenfund? Naja, ich denke, dass das Wort bedeutet, dass man etwas überraschend auf dem Dachboden gefunden hat. Das war hier nicht der Fall, denn der Besitzer wusste ja noch von dem Rechner, der in einer großen Kiste mit gefühlten 400 Kabeln, einigen Videorekordern und Verstärkern auf seinen Retter wartete. Trotzdem war die Sache für mich überraschend.
(Dachbodenfund)
Seit langem war ich auf der Suche nach einem Ersatz für meinen durchgebrannten Denon 1804 DTS-Surround-Verstärker, Eile hatte ich keine und so ignorierte ich auch ein Angebot in einem Forum einige Tage lang geflissentlich. Dort wurde ein 7.1 Verstärker von Tevion für etwas arg übertriebene 120,- EUR angeboten. Für einen Fuffi mehr bekomme ich was Nettes von Yamaha. Aus einer Laune heraus bot ich ihm 60,- EUR und verwies auf den Umstand, dass diese Dinger auf Ebay immer zwischen 50,- bis 60,- EUR weggehen.
Der Verkäufer bot mir daraufhin das Teil für freundliche 50,- EUR an. Ich sagte zu und wollte das Gerat auch gleich bei ihm abholen, denn ich hatte noch einen Termin beim Quarkbeutel zum Tapetenkratzen und er lag so einigermassen auf dem Weg dorthin.
(An die HiFi-Experten an dieser Stelle: Ich weigere mich _wieder_ Unsummen in den Kauf und die Reparatur von Geräten zu stecken, deren Technik nach nur drei, vier Jahren wieder überholt ist, wenn diese sowieso nach Ablauf der Garantie irreparabel defekt geht. Ich betrachte Unterhaltungselektronik nun als das was sie ist: ein Wegwerfprodukt. Da ist ein Aldi-Verstärker nur logisch, nicht wahr?)
Der Verstärker befand sich, wie versprochen, im Neuzustand, da es sich um einen Aussteller handelte. Im Gespräch mit dem Verkäufer kamen wir von der Omma auf den Zwetschgenkuchen, als wir über die Hersteller philosophierten, die hinter den bekannten Handelsmarken, wie Tevion, stecken. Dabei fiel auch der Name des Amstrad-Gründers Alan Michael Sugar, der sich wohl vom Verkauferlös seiner Firma ein Südseeparadies gekauft haben soll. Natürlich erwähnte ich daraufhin die HomeCon, ganz klar.
Vor der Tür, ich hatte schon den schweren Verstärker auf dem Arm, meinte der Ex-Besitzer, er hätte noch einen Amiga 1000 auf dem Dachboden seiner Eltern stehenden er aber nicht mehr benutzen würde. Weiterhin erzählte er, dass er sporadisch noch den Petro Tyschtschenko, ein deutsches Amiga- und Commodore-Urgestein sehen würde. Im Gehen sagte ich noch, dass er ihm ja von der HC erzählen könnte, vielleicht hätte der Mann ja Spass an der HomeCon, ausserdem könne er ja den A1000 vom Dachboden holen und wiederbeleben. Neee, den Amiga wieder zu benutzen erschien ihm nicht attraktiv, er iwäre halt jemand, der technisch am Puls der Zeit lebt. Was er mit dem Ding machen wolle, fragte ich logischer Weise. Naja, dort oben lassen, denn sowas würde ja niemand kaufen wollen.
Doch ich! :-D
Wir gingen also ein paar Häuser weiter zu seinen Eltern, stiegen auf den Dachboden und er fischte den Amiga 1000 aus einer riesigen Kiste voller Elektro“schrott“. Dort lagerte das Ding seit sicher mehr als 20 Jahren zwischen alten Videorekordern, Autoradis, Verstärkern und Unmengen von Kabeln. Nach dem Amiga selber kam auch noch die Tastatur zum Vorschein, bei der aber das Kabel und die Taste „7“ auf dem Ziffernblock fehlten. Ausserdem wäre eigentlich noch eine externe Floppy, die Commdore 1010 dabei, die aber auch nach einigen Wühlen nicht wieder auftauchte. Glaubt es, oder nicht, aber die „7“ konnte aus der Kiste geborgen werden.
Als Dreingabe stellte er noch einen transparenten Comptetition Pro-Joystick auf den Amiga, womit die Frage geklärt wäre, wofür der den 1000er angeschafft hatte. ;-)
Die Preisverhandlungen war noch interessanter als beim Verstärker, denn ich wurde abermals im Preis gedrückt – um mehr als die Hälfte, um genau zu sein. O.k., warum sollte man sich dagegen wehren? Ausserdem habe ich nicht vor, den Amiga 1000 wieder mit Gewinn zu verkaufen, das Teil bleibt in meiner Sammlung, dazu habe ich zu lange nach so einem Gerät gesucht.
Der 1000er sah genauso aus, wie man sich einen Dachbodenfund vorstellt: Eine dicke Schicht schwarzer Staub und Abgasdreck bedeckte das gesamte Gerät und war in jede Ritze eingedrungen. Vergilbungen, schwarze Streifen von den Gummifüssen der Geräte, die mal auf dem Amigagehäuse standen und schwarze, klebrige Rückstände von Bitumen oder aufgelösten Kabelummantelungen verunzierten meine neueste Erwerbung. Eine Grundreinigung stand an!
(Siffig: Amiga 1000)
(Mit Edding aufgemalte Sonderzeichen)
(Dreck im Detail: Amiga-Logo auf der Tastatur)
(Competition Pro: Dreck und schwarze Masse machen ihn nicht zum Handschmeichler)
Ich zerlegte den Amiga, um zu schauen, ob er innen genauso schlimm aussah, wie von aussen. Nach dem Entfernen der Abschirmbleche präsentierte sich das Innere aber im hervorragendem Zustand. Nicht nur das! Es handelte sich sogar um einen der letzten frühen Amigas mit Peggy-Board und frühen MOS-Chips im Keramikgehäuse. Entgegen der Aussage „unverbastelt“, fand ich auf der Hauptplatine doch eine verwegen aussehende Modifikation: Jemand hatte einen FBAS-Fix in fliegender Verdrahtung nachgerüstet.
Frühe Amiga 1000, wie dieser hier, hatten ein wiederbeschreibbares ROM, das Peggy-Board, weil so noch leicht Updates via Disketten nachinstalliert werden konnten. Man bedenken, dass es kein Internet, geschweige denn Breitbandanschlüssen bei Privatepersonen gab, über das, wie heute üblich, Firmwareupdates zur Verfügung gestellt werden konnten. Bis also das ROM des Amiga ausgereift war, wurden diese mit einem beschreibbaren ROM ausgeliefert, das später folgerichtig durch ein „echtes“ ROM ersetzt wurde.
Commodore verkaufte die ersten Amigas in Deutschland zudem mit einer US-Tastatur (wie mein Gerät) und einem Videoausgang (FBAS) mit der NTSC-Norm. Ale kleinen Nebeneffekt taktete die CPU, eine Motorola 68000, statt mit 7,09 MHz, wie für PAL-Versionen später üblich, mit den 7,14 MHZ der NTSC-Version. Die A1000 teilen sich also, grob gesagt, in diese vdrei Versionen auf:
– NTSC mit Peggy-Board (USA, erste Geräte in D)
– NTSC ohne Peggy-Board (USA)
– PAL ohne Peggy-Board (D)
Mein Gerät hatte also eine US-Tastatur, einen NTSC-Ausgang und zeigte daher an einen Fernseher oder einem Monitor (im Gegensatz zum RGB-Ausgang) nur ein s/w-Signal an. Der o.a. FBAS-Fix erzeugte auch auf PAL-Monitoren ein farbiges Signal und war eigentlich ein Muss für jeden User ohne RGB-Monitor.
An dieser Stelle möchte ich AntaBaka und den Leuten von A1k.org für die sachdienlichen Hinweise danken. ;-)
(Abschirmblech Amiga 1000, vorne 256KB RAM-Expansion ohne Abschirmung)
(S-förmiges Peggy-Board huckepack auf dem Mainboard des Amiga 1000)
(Peggy-Board)
(Anschlusspfosten des Peggy-Boards im Detail)
(8362 – Denise, 8367 – Agnus und 8364 Paula)
– Denise ist der Grafikchip
– Agnus ist das Herzstück des Chipset und beinhaltet Copper, Blitter, (Floppy) DMA control und das Chipram Speicherinterface.
– Paula ist für die Sound und Interruptverwaltung und zum Teil für die Floppysteuerung zuständig.
– Die CIAs (nicht abgelichtet) übernehmen die Steuerung der I/O Schnittstellen und die Steuerung vom internen und externen Floppy Port.
(NTSC-PAL-FBAS-Fix)
(NTSC/PAL-FBAS-Fix)
Interessant ist noch, dass meine RAM-Expansion kein Abschirmblech besitzt. Seinerzeit besass mein Bruder einen Amiga 1000, dessen RAM-Expansion durch ein vielfach verschraubtes Blech vollständig eingehüllt war. Die einfache Erweiterung des Arbeitsspeichers des A1000 ist damit auch schon ausgeschöpft. Mehr als 512 KB RAM konnte man nicht einbauen, ohne das Gerät auszuschrauben und eine „Bastellösung“ einzubauen, oder auf der rechten Seite am Expansion-Port einen Festplattencontroller (SCSI oder IED) mit z.B. 8MB FastRAM aufzustecken. An diesen Port konnte man auch das bekannte Sidecar, eine PC-Erweiterung, anschliessen.
(Speichererweiterung)
(RAM-Expansion im Detail)
Ein kurzer Test der Floppy ergab, dass das Laufwerk nicht funktioniert. Gut, das war nicht anders zu erwarten, da der Vorbesitzer sich wohl nicht aus Spass eine externe Floppy, die 1010, gekauft haben wird. Leider sind externe Laufwerke am Amiga 1000 nicht bootfähig. Nun ist guter Rat teuer. Aber das ist eine andere Baustelle. Widmen wir uns erst der Reinigungsprozedur.
Das Gehäuseoberteil war schnell mit warmen Wasser und Spüle gereinigt. Die Tastenkappen der Tastatur hebelte ich ab und weichte sie in einer Schüssel mit zwei Tabletten Gebissreinigertabs ein. Die nachträglich aufgebrachte Beschriftung mit einem Edding-Stift liess sich mit Super-K-Cleaner Kunststoffreiniger von Liqui Moly hervorragend entfernen. Letzte Schatten beseitigte ein handelsüblicher Dreck-Radierschwamm. Der Kunststoffreiniger kam auch bei dem Gehäuse der tasttur und dem Unterteil des Rechner zum Einsatz, denn dort verbot sich der Einsatz von Wasser aus naheliegenden Gründen von selbst.
Die Gehäuse des Rechners und der Tastatur sind leicht vergilbt, trotzdem verzichtete ich auf den Einsatz von Wasserstoffperoxid (H2O2) und/oder Domestos. Dieser Amiga soll die Spuren der Zeit ruhig zeigen, zumal er an den Kanten einige Macken aufweist. Wie sähe denn ein Gerät mit perfekter Farbe aus, das an allen Ecken Macken hat?
An der Leertaste versuchte ich mich dann doch mit Wasserstoffperoxid und, als dies nicht viel brachte, mit Domestos. Zu aggressiv wollte ich, aus Furcht den Kunststoff anzugreifen, nicht vorgehen, so dass die Taste immer noch leicht gelblich ist. Ich kann damit leben, zumal sich die Tastatur nun wieder so anfühlt wie vor 25 Jahren, geradeso, als wäre die zeit spurlos an ihr vorbeigegangen. Solche Eingabegeräte werden heute eben nicht mehr gebaut.
(Gereinigt, die Streifen kommen vom Photo)
(Fühlt sich wie neu an: Tastatur nach der Reinigung)
(noch leichte Vergilbungen, wo Nebenluft gezogen wurde: Gehäuse des A1000)
(Gereinigter Competition Pro, wie neu)
(Böse Macken: gereinigte Gehäusefront)
Für mich ist und bleibt der Amiga 1000, der einzig echte Amiga. Ich hätte gerne, dass er meinen Amiga 600 als Spielemaschine ablöst. Allerdings müsste er dazu einen halbwegs modernen Massespeicher, ähnlich wie ein SIO2USB vom ABBUC oder dem SD2IEC für den Commodore 64 haben. Wenn mir jemand Hinweise dazu geben mag, dann tut Euch keinen Zwang an und schreibt es als Kommentar. Auf diese Arte haben auch noch andere etwas davon. ;-)
Ich bin sehr zufrieden mit meiner neuesten Erwerbung. Das Design des Desktoprechners begeistert mich immer noch mit seiner unaufdringlichen Eleganz. Die Tastatur baut klein und verschwindet bei Nichtgebraucht unter dem Rechner in der „Tastatur-Garage“. Der Lüfter ist flüsterleise und der Stromverbrauch mit maximal 60 Watt eine echte Ansage. Zeitweise wurde diese Art von Gehäuse durch besser aufrüstbare, aber klobige Tower ersetzt und erlebte erst mit den Small-Form-Factor Bürorechner von HP und Dell eine Renissance, die Apples Mac Mini auf die Spitze treib. Auch in dieser Richtung war also der Amiga 1000 seiner Zeit weit voraus.
Alle Bilder vom Dachbodenfund:
{gallery}Amiga-Dachbodenfund{/gallery}
Gerade diesen Beitrag durch Zufall entdeckt.
Hab mir vor ein paar Wochen auch endlich einen Amiga 1000 gegönnt und letzte Woche einen Parceiro II und Parceiro Accelerator dazu erhalten.
Bin davon kaum mehr wegzukriegen und entwickle sehr gerne mein (mittlerweile auf Kickstarter finanziertes) Spiel darauf.
Hmmm … Zufall … ja, klar. :-) Sag doch einfach, wenn Du das Spiel bewerben willst. Ist doch kein Ding.
Wegen dem Link beim Kommentieren/Registrieren? Den packe ich immer mit rein, quasi als Visitenkarte.
Ginge es mir um Werbung, würde ich nicht auf einen 12 Jahre alten Blog Beitrag antworten ;)
Habe deinen Beitrag gefunden, als ich meiner Freundin ein Bild von Agnus, Paula und Denise zeigen wollte.
Falls du immer noch nach Massenspeicher suchst, kann ich nur einen Parceiro II von David Dunklee empfehlen. Super qualität. Passend zum Amiga Gehäuse selbst, eine Signatur von David auf der Innenseite. Großartiger Support und schneller Versand (er hat meins am Sonntag morgen gebaut, am Montag versandt und eine Woche später am Mittwoch war es schon bei mir — wäre eher da gewesen, wenn nicht der deutsche Zoll reingefunkt hätte)