Es gibt genĂŒgend Leute, die Facebook skeptisch gegenĂŒberstehen. Gerade im Retrobereich findet man das oft, obwohl sich gerade diese Leute seit Jahrzehnten mit IT-Technik befassen. Ich finde Facebook gut â nicht zuletzt, weil ich darĂŒber einen Photo Play-Automaten geschenkt bekommen habe. ;-)
Inhalt:
Wie ich an mein GerÀt kam
Es gibt genĂŒgend Leute, die Facebook skeptisch gegenĂŒberstehen. Gerade im Retrobereich findet man das oft, obwohl sich gerade diese Leute seit Jahrzehnten mit IT-Technik befassen. Ich finde Facebook gut â nicht zuletzt, weil ich darĂŒber einen Photo Play-Automaten geschenkt bekommen habe. ;-)
Ein alter Klassenkamerad, der Carsten, den ich seit fast 30 Jahren nicht mehr gesehen habe und den ich eigentlich nur noch ĂŒber Facebook „kannte“, dachte an mich, als ein befreundeter Automatenaufsteller, der Horst, einige Platinen und Automaten loswerden wollte. FĂŒr die Platinen wollte er zwar noch einen schmalen Euro haben, denn er hatte die ĂŒber Jahre hinweg gesammelt, aber die Automaten sollten allesamt in die Presse. Die Platinen gab ich gleich an den Reiner vom For-Amusement-Only e.V. weiter, bzw. haben die das direkt unter sich ausgemacht. Neben einigen Geldspielern, die mich nun wirklich nicht reizten und fĂŒr die ich auch vergeblich auf den HomeCons warb, hatte Horst aber auch noch einen Photo Play-Automaten.
Bei einem Photo Play handelt es sich um einen „Arcadeautomaten“ ohne Joysticks und Buttons, denn die Spiele benutzen alle ausschliesslich den Touchscreen des GerĂ€tes. Alle Spiele sind gewalt- und jugendfrei, der österreichische Hersteller Funworld nennt das Konzept „positive Games“ â aber dazu spĂ€ter mehr.
(Baujahr 1998)
Der einzige Haken an der ganzen Sache ist, dass sich der Automat in meiner Geburtsstadt Kassel befand, ich aber in Seligenstadt lebe. Gut dass es nicht mehr lange bis zur winterlichen Verwandten-Geburtstagsrallye dauerte, zu der wir sowieso nach Kassel mussten. Bei mehr als unwirtlichen Temperaturen montierte ich frĂŒh am Morgen schnell den HĂ€nger an den Zigeunerhaken unseres französischen Minivans und ab ging es nach Kassel.
Dort angekommen eilten wir gleich zum Horst in sein GeschĂ€ft. Wow! Der Automat sah viel, viel besser aus als ich erwartet hatte, so dass ich schon Zweifel hatte, ob der von mir mitgebrachte Kasten GlaabsbrĂ€u 1744 denn eine ausreichende Geste gewesen sei. Horst zeigte mir noch schnell das beiliegende Zubehör und er betonte, dass das GerĂ€t im Prinzip laufen wĂŒrde, aber dazu bis zu einer halben Stunde benötigen wĂŒrde. Korrekt, der Monitor zuckte nur noch beim ein- und ausschalten. Der Rest ist PC-Technik. Zu meiner Zeit als Ferienjobber bei Löwenautomaten war in den Photo Plays ein AMD 5×86 133 PR 75 in der schnellen und ĂŒbertaktungsfreudigen ADZ-Version verbaut. Bei sehr guter KĂŒhlung liefen diese CPUs bis 200 MHz â der wohl schnellste 486er der Welt. Dass aber 1998 immer noch ein 486er in den Automaten verbaut wurde, erstaunte mich dann doch etwas. Ich machte mir aber wenig Sorgen um die Hardware, da ich in meinem Fundus noch das eine oder andere Ersatzteil bereit hielt.
(Super: Die Anleitung lag dabei!)
Erst wollte ich den Monitor zum Transport ausbauen, staunte aber nicht schlecht, als sich dieser als fest im GehĂ€use verschraubt erwies. Horst meinte, dass diese GerĂ€te die 230km (inklusive Verwandtenrallye) auf einem HĂ€nger zurĂŒck nach Hause wegstecken können â die seien solide gebaut. Decke untergelegt, Spanngurte drum, eine Plane drĂŒber gezurrt und schon war alles verstaut.
Aber erst standen ja die Geburtstage auf dem Plan. Meine GroĂmutter wurde 90, mein Schwiegervater 70. Volles Programm war also angesagt.
Sicher zu Hause angekommen)
(Gut gekĂŒhlt: Das Cabinet)
Kurz nach 02:00 Uhr waren wir wieder zu Hause, aber der Automat musste draussen warten, wir waren so mĂŒde, dass wir nur noch in’s Bett fielen. Am nĂ€chsten Morgen lag der Automat erwartungsgemĂ€ss immer noch auf dem HĂ€nger, war aber gut durchgefroren. Wir wuchteten das GerĂ€t nur noch in das Erdgeschoss â und keinen Meter weiter, denn er ist abartig schwer. Wie gesagt: Der Monitor lĂ€sst sich nicht so einfach rausziehen, wie bei einem normalen Arcadeautomaten, hinzu kommt, dass der PC im Inneren in einem StahlblechgehĂ€use steckt. Schon ein komplett leeres, normales Arcade-Cab wiegt eine ganze Menge. Ein Photo Play ist deutlich schwerer.
Haftungsausschluss
ACHTUNG! NICHT NACHMACHEN!
- Dies ist keine Anleitung!
- Der Artikel dient der persönlichen Dokumentation!
- Dieser Artikel soll nicht die beiliegenden Anleitungen, Einbauhinweise oder Installationsanleitungen ersetzen!
- Dieser Artikel soll einen groben Ăberblick ĂŒber die anfallenden Arbeiten ermöglichen.
- Der Artikel erhebt keinen Anspruch auf VollstÀndigkeit oder gar Korrektheit.
- Hier beschreibe ich, wie ich diese Arbeiten als Laie erledigt habe â nicht, wie man sie korrekt oder nach handwerklichen Standards, Vorschriften oder Gesetzen erledigt.
- Ich lehne jede Verantwortung, Haftung und GewÀhrleistung ab. Jeder muss selbst wissen, was er macht.
- Einige Arbeiten sind durch Fachfremde nicht zulĂ€ssig, respektive gesetzwidrig und bedĂŒrfen teilweise mindestens der Abnahme durch einen ausgebildeten Berechtigten.
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- 230 Volt sind tödlich!
- Kein Backup? Kein Mitleid!
- Meine 3D-Modelle sind nur Machbarkeitsstudien, keine geprĂŒften, funktionsfĂ€higen Bauteile.
- Die beschriebenen TĂ€tigkeiten sind in der Folge rein akademischer Natur.
- Bedenke, dass durch Deine Arbeiten Dritte an Leib und Leben gefĂ€hrdet werden können und Du persönlich dafĂŒr haftest.
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Innerer Aufbau
(Nicht einfach auszubauen: der Monitor)
(StahlblechgehÀuse des PCs)
Das Ding musste sich aber vor allem erst einmal akklimatisieren. Im kalten GerĂ€t kann sonst Kondenswasser zu KurzschlĂŒssen fĂŒhren â gerade wenn noch Staub dazu kommt. Bei moderneren Computern können sogar die Die (der Kern aus Silizium) der CPU platzen, wenn eine tiefgekĂŒhlte CPU sich beim Einschalten schlagartig im Kern auf weit ĂŒber 80 Grad erhitzt.
Auch im inneren prĂ€sentierte sich der Automat ĂŒberraschend sauber. Er hatte immerhin 12 Jahre und mehr als 15.000 Betriebsstunden auf der Uhr. Nach einigen Stunden zerlegte und reinigte ich den Rechner und checkte die Kabelverbindungen im Cab. Sah alles in Ordnung aus, nur wollte der Rechner nicht „anspringen“. Am internen Kabel lag Netzspannung an, also vermutete ich einen Defekt am AT-Netzteil des Rechners. DafĂŒr sprach auch, dass der Automat erst nach einiger Zeit starten wollte. Ich habe es nicht gemessen, denke aber, dass das Power-Good-Signal nicht anlag. Vermutlich sind ausgetrocknete Kondensatoren mal wieder Schuld, daran liegt es in den meisten FĂ€llen.
(Passabel sauber: der PC von innen)
(Defektes Netzteil)
(3,5″ IDE-HDD mit 3,2 GB KapazitĂ€t im handelsĂŒblichen Wechselrahmen)
(Lauter Legacy-Schnittstellen)
(Kombinierte Sound-, I/O- und IDE-DMA/33-ISA-Karte (IDE nicht bestĂŒckt))
(Controllerkarte fĂŒr den Touchscreen, ISA)
(Cirrus Grafikkarte, PCI. Billiger ging es wohl nicht â reicht aber dicke)
(i486 DX4-100, kleinste CPU der Photo Plays. Man beachte: keine WĂ€rmeleitpaste!)
Das iCOMP-Rating von 435 ist auf dem DX4 aufgedruckt. Ein 5×86 wĂŒrde hier einen Wert von 610 erreichen. Aber auch der schwĂ€chere Intel-Prozessor ist mit den Gameplay keineswegs ĂŒberfordert, die Software wurde mit Augenmass geschrieben.
(Vermutlich 128KB echter 12ns Cache, es gab auch Boards von PCChips mit Fake-Cache-Bausteinen)
(4MB EDO-Ram â fĂŒr PTS-DOS vollkommend ausreichend)
Reparatur
Im Keller durchwĂŒhlte ich meine Netzteilkiste. Mist! Nur noch ATX-Netzteile!? Meinen seinerzeit selber gebauten ATX-auf-AT-Adapter konnte ich auch nicht mehr finden… Guter Rat war also teuer. Zum GlĂŒck hatte ich aber einige Tage zuvor meinen IPCop in Rente geschickt. mehr als 10 Jahre lang leistete mir mein selbstgebauter Router 24/365 treue Dienste, musste aber beim Wechsel nach Vodafone einer Easybox weichen. Sein Stromverbrauch war einfach nicht mehr zeitgemĂ€Ă.
(IPCop, AMD K6-166@200, passiv gekĂŒhlt, 10 Jahre Dauereinsatz)
Der Router steckte noch im Serverschrank, also war wieder schrauben angesagt. Nach fĂŒnf Minuten hielt ich aber das Objekt der Begierde in meinen HĂ€nden: Ein AT-Netzteil von Seasonic. Auch nach einem Jahrzehnt Dauereinsatz war es immer noch flĂŒsterleise. Typisch Seasonic: gemacht fĂŒr die Ewigkeit! :-)
Das olle „Noname“-AT-Netzteil flog aus dem Photo Play und das Seasonic ersetzte es. Interessant war, dass das alte Netzteil, wie fĂŒr AT-Netzteile eigentlich unĂŒblich, keinen Netzschalter besass. AT-Netzteile werden in der Regel durch einen Netzschalter an der Front des PCs vom Netz getrennt. Dieses hier war wohl intern gebrĂŒckt worden. Macht aber nichts, bleibt der Schalter eben auf „An“.
Ich lag richtig, was den Fehler betraf, denn der Automat startete nach dem Austausch einwandfrei und zeigte bis auf die fehlende Marquee-Beleuchtung keine weiteren Fehler. Ein sehr schönes Geschenk zur Weihnachtszeit!
(Blieb dunkel: das Marquee)
So weit, so gut. Aber was kommt da fĂŒr eine Lampe rein? Ich hatte keinen Plan! Aber Tante Google konnte mir helfen, denn auf der Fassung der Lampe stand eine VDE-Nummer: 26.719. Das heisst auf gut Deutsch: Fassung G.23 â na, dann ist ja alles klar. G.23, kennt ja jeder. Also bei Reichelt nachgesehen: Aha! Das sind Energiesparlampen, oder wie sie damals hiessen: Neonlampen.
Interessant ist, dass der im Bauhaus anwesende Mitarbeiter der Firma Osram mit dem Bezeichung „G.23“ nichts anzufangen wusste. Er blĂ€tterte hektisch in seinen Prospekten, fand aber nichts. Der Bauhausmitarbeiter kannte die Fassung zwar, war aber beschĂ€ftigt, so dass ich selber nachsah â den Osram-Kerle im Schlepptau. Uii! War ihm das peinlich, als er dann selber die passende Lampe seiner eigenen Firma im Regal sah. Klar, kann passieren, man kann nicht alles wissen.
Die Anleitung von Funworld schwieg sich zur Wattzahl aus, also wĂ€hlte ich die kleinste mit nur fĂŒnf Watt. Die ist zudem die kĂŒrzeste und daher blieb der Spot auf dem Globus, und der Schatten des Randes tritt nicht so stark hervor.
(ca. so groĂ wie eine Kerzenlampe: G.23 mit 5 Watt)
(Wie neu: Marquee)
E inbau eines leisen LĂŒfters
In einer Kneipe stört ein lauter HochleistungslĂŒfter eher weniger. Da spielt Musik und alle reden durcheinander. Alleine im Partykeller (oder wo immer so ein Automat bei Euch steht) kann einen das Jaulen aber in den Wahnsinn treiben. Klar, laut bedeutet in dem Fall, dass das Ding auch einen ordentlichen Luftdurchsatz hat… trotzdem, das war einfach viel zu laut. Es gibt zwei Möglichkeiten: zwei langsamere LĂŒfter einbauen oder einen groĂen. Da ich noch einen 12er 24V-LĂŒfter von NMB mit passendem Gitter hier rumliegen hatte, war das ja keine Frage. Trotzdem hĂ€tte ein weiterer LĂŒfter das Luftvolumen mehr erhöht als mein einzelner 12cm-LĂŒfter. Deswegen haben Autos mehr Ventile, statt einfach nur gröĂere („16V“, bspw.).
Mit den 12 Volt des Automaten arbeitet der neue 24V-LĂŒfter unhörbar leise â so soll es sein.
(GröĂenvergleich der LĂŒfter)
Der originale LĂŒfter war schlicht an die 12V des Netzteiles angeschlossen und tat seinen Dienst, rein technisch gesehen, wie am ersten Tag. Allerdings sah er auch nach 12 Jahren Arbeit in staubiger, nikotinhaltiger Umgebung aus. Ein wirklich tapferer kleiner Kerl von NMB Minebea, der wieder einmal zeigt, dass deren LĂŒfter fĂŒr den professionellen Einsatz gedacht sind. Manchmal findet man bei Pollin LĂŒfter von NMB fĂŒr den kleinen Euro, aber Vorsicht: schaut Euch vorher das Datenblatt an, nicht dass sich der PC, angetrieben durch den Luftstrom des LĂŒfters, quer durch Euer Arbeitszimmer bewegt. :-) NMB hat natĂŒrlich auch leise Fans â einfach vor dem Kauf in das Datenblatt schauen.
(Keimiger LĂŒfter)
Ganz pragmatisch liess ich die StichsĂ€ge aufheulen und jagte sie durch die abnehmbare RĂŒckwand des Cabinets â mein LĂŒfter brauchte Raum! Die Kabel verlötete ich, isolierte sie ordentlich mit Schrumpfschlauch und versah sie mit Zugentlastungen.
(Schrumpfschlauch & Zugentlastung)
(Verschraubter 12cm-LĂŒfter, blĂ€st nach aussen)
(Fertig eingebaut und superleise; trotzdem macht der ordentlich Wind)
Tja, das war schon alles an Wartungsarbeiten: Netzteil- und Lampentausch sowie GerĂ€uschreduzierung durch einen groĂen LĂŒfter. Nun haben wir einen Automaten, der einen erstaunlich hohen WAF hat und von den Kindern sowieso geliebt wird. WĂ€hrend ich noch an dem GerĂ€t arbeitete, wurde es von allen Familienmitgliedern stĂ€ndig belagert und jeder musste mal eben ein „Testspiel“ machen, um zu sehen, ob auch alles so funktioniert, wie es soll.
(Einer der TestlÀufe)
(Spieletester bei der Arbeit)
(StÀndige Belagerung)
Jetzt hat er seinen vorlĂ€ufigen Platz sogar im Wohnzimmer gefunden â in einer Ecke, in der er nicht sonderlich auffĂ€llt. Jedenfalls bleibt er da solange, bis das GĂ€stebad und -zimmer ausgebaut wurden.
Meine Familie lÀsst mich mittlerweile manchmal sogar auch damit spielen.
Die Technik im Detail
Spiele
Funworld, der Hersteller, nennt die Spiele „positive Games“, da sie alle gewalt- und jugendfrei sind. In allen verschiedenen Versionen befinden sich immerhin 37 Spiele auf dem Automaten, die in die Kategorien Karten, Geschick, Logik und Quiz eingeteilt sind. Eine fĂŒnfte Kategorie zeigt die Top-Games an, die Spiele, die auf diesem Automaten am meisten gespielt wurden.
Viele Spiele sind im Prinzip doppelt und dreifach vorhanden, so finden sich einige sehr Ă€hnliche Quize und Finde-den-Fehler-im-Bild-Spiele, die sich nur marginal voneinander unterscheiden. Zielgruppe war aber nie die „Pro-Gamer“-Fraktion, sondern Otto-Normal-Kneipenbesucher, der sich nicht erst in die Bedienung eines Spieles einarbeiten wollte, sondern in den sieben Minuten, die sein Pils zum zapfen benötigte mal eben eine Mark verzocken konnte, ohne sich ĂŒber diese Investition Ă€rgern zu mĂŒssen.
Interessant ist, dass sich die Spiele auch im 1-Spieler-Modus mit mehreren Leuten spielen lassen. Man steht um den Automaten herum und alle balgen sich darum den nĂ€chsten Zug machen zu dĂŒrfen. Ein launiger und gĂŒnstiger SpielspaĂ. Allen Spielen gemein ist, dass man die Spiele meistens aus eigenem Unvermögen verliert und nicht deswegen, weil der Endgegner dem Durchschnittsspieler keine Chance lĂ€sst.
Die Reaktionszeit des Touchscreens ist ausgezeichnet, alle Spiele lassen sich absolut intuitiv, flĂŒssig und verzögerungsfrei bedienen. Wer z.B. Solitaire von Windows kennt, wird hier angenehm ĂŒberrascht sein, wie schnell sich das Spiel spielt, wenn man kein Kilometergeld fĂŒr die Maus bekommt. Der Sensorschirm ist eindeutig das Alleinstellungsmerkmal dieses GerĂ€tes und bereitet sehr viel SpaĂ.
Der Hersteller nennt das Bedienkonzept „barrierefrei“. Auch nach lĂ€ngerer Ăberlegung erschliesst sich mir der Wortsinn nicht wirklich, denn fĂŒr Rollifahrer sind die Standardautomaten schlicht zu hoch und ob Menschen, die Probleme mit der Motorik haben, einen Photo Play-Automaten besser bedienen können als einen mit anderen EingabegerĂ€ten, weiss ich nicht. Ich denke, dass sich das „barrierefrei“ eher darauf bezieht, dass Spieler von drei bis 99 Jahren keine Probleme bei der Bedienung haben.
Technik
Bei diesem GerÀt handelt es sich um einen Photo Play von 10/1998. Die Software und die Spiele wurden im 03/2003 auf den Stand 2002 gebracht.
CPU
Das GerĂ€t hat nur die kleinste, aber ausreichende CPU der Photo Plays, einen Intel 486 DX4-100. Alternativ gab es die GerĂ€te auch mit der deutlich leistungsfĂ€higeren AMD 5×86-133 P75-CPU, die ĂŒber einen eigenen 16K-Level-1-Write-Back-Cache verfĂŒgte. Der Austausch der CPU gegen die 5×86 von AMD ging damals ohne Jumperwechsel ĂŒber die BĂŒhne.
Board
Die CPU fand ihr Zuhause auf einem „4DPS-Tomato II“-Board von Zida mit SiS-Chipsatz, welches mit einem 4MB-EDO-RAM (SIM) bestĂŒckt ist. Das Board verfĂŒgte ĂŒber drei ISA- und drei PCI-SteckplĂ€tze. FĂŒr die Speichererweiterung standen insgesamt vier SIM-SteckplĂ€tze zur VerfĂŒgung. Die Festplatte hing an dem boardeigenen IDE-Controller. Der Level-1-Chache (mit 5×86: Level-2-Cache) war magere 128KB groĂ aber immerhin 12ns schnell.
Steckkarten
Interessant war die ISA-Kombikarte, die ĂŒber einen eigenen Molex-Stromanschluss und einen digitalen Signalprozessor (DSP) verfĂŒgt und folgende Funktionen bereithĂ€lt:
– IDE-Controller DMA/33 (AnschlĂŒsse nicht bestĂŒckt)
– I/O-Schnittstellen fĂŒr elektronische MĂŒnzprĂŒfer und den Dataprint (Auslesen der finanzbuchalterischen Daten des Apparates)
– Anschluss fĂŒr den Setup-Taster
– Anschluss fĂŒr den Dongle
– Soundkarte ESS
Bezeichnung: PP2000XCI-8000
Auch eher speziell war die Controllerkarte fĂŒr den Touchscreen, welche ĂŒber einen seriellen Anschluss verfĂŒgt und einen ISA-Steckplatz belegt.
Absolute Hausmannskost ist dagegen die Cirrus PCI-VGA-Karte mit 1 MB RAM.
HDD
Die 3,2 GB groĂe IDE- (ATA-) Festplatte steckt in einem der seinerzeit ĂŒblichen, billigen Wechselrahmen, welcher auch abgeschlossen werden kann.
Monitor
Der eingebaute VGA-Monitor verfĂŒgt ĂŒber eine Bandbreite von 30 MHz und kann Signale mit der Horizontalfrequenz von 31,46 kHz, 35,2 kHz und 35,5 kHz synchronisieren. Die Vertikalfrequenzen können 50 bis 90 Hz betragen. In einem abgeschirmten GehĂ€use befindet sich die gesamte Elektronik des Monitor, von vorne kann man die Helligkeit und die SchĂ€rfe einstellen, von der RĂŒckseite ist die Bildlage und der Kontrast zugĂ€nglich.
Touchscreen
Der analoge, serielle RS232-Standard-Touchscreen ist kapazitiv und besteht aus einer metallisierten Glasplatte, die auf die Bildröhre gelegt wird. Horst meinte, er hĂ€tte noch nie einen zerbrochenen Touchscreen gehabt â ich selber habe aber wĂ€hrend des Ferienjobs bei Löwenautomaten gleich mehrere dieser sĂŒndteuren Scheiben verkauft. Also vorsichtig damit umgehen!
Es gibt noch einen zweiten Screen, der sich „Clear Tek“ nennt und ĂŒber eine geĂ€tzte oder polierte OberflĂ€che verfĂŒgt. Dieser ist robuster und lichtdurchlĂ€ssiger. Weiterhin sollten auch plane Sensorscheiben fĂŒr LCD- und Plasmadisplays sowie Sony Trinitron-Bildröhren verfĂŒgbar gewesen sein.
Die beiden gĂ€ngigsten SensorflĂ€chen fĂŒr gewölbte 21″-Röhren haben eine Auflösung von 1024 BerĂŒhrungspunkten horizontal und vertikal innerhalb des kalibrierten Bereiches. Die können pro Sekunde bis zu 115 BerĂŒhrungen registrieren.
Interessant ist zudem, dass es fĂŒr die Touchscreens auch eine ADB-Adapterbox fĂŒr Apple-Rechner gab.
(Touchscreen „Microtouch“)
Betriebssystem
Nach dem Einschalten benötigt der Photo Play 2000 nur wenige Sekunden um spielbereit zu sein. Das liegt daran, dass er nur ein DOS booten muss. Dieses stammt von der russischen Firma Paragon und nennt sich PTS-DOS. Dieses Betriebssystem ist nicht ein reiner Klon von MS-DOS, sondern wurde komplett neu geschrieben, soll daher sehr schnell sein und bietet auch viele neue/andere Befehle als sein Vorbild.
Randbemerkung: Auch MS-DOS (ebenfalls als Q-DOS oder PC-DOS bekannt) ist eigentlich nur ein Klon von CP/M86, welches spÀter dann auch als DR-DOS vermarktet wurde.
(Bootscreen)
Setup
Das Setup des GerĂ€tes, in dem man z.B. die LautstĂ€rke und die Kalibrierung aufrufen kann, sowie das fĂŒr den Privatbereich ĂŒberaus praktische Freeplay aktivieren kann, ruft man mit den Buchhaltungs-Knopf auf. Den habe ich lange suchen mĂŒssen, denn er befand sich nicht an der im Handbuch beschriebenen Stelle, sondern links unten am Monitorchassis â neben dem BetriebsstundenzĂ€hler. Dort findet man auch die serielle Schnittstelle fĂŒr den Dataport.
(Ganz links, von hinten zugÀnglich: Setuptaster)
Dongle
Damit man sich nicht einfach einen Photo Play-Apparat nachbauen, oder eigenmĂ€chtig Updates einspielen kann, ist die Software ĂŒber einen Parallelport-Dongle gesichert.
(Interner Dongle)
Werbung
Einige Spiele sind direkt mit Werbung versehen. „Snake“ zum Beispiel sieht dem bekannten Spiel auf den Nokia-Handys sehr Ă€hnlich und da lag es wohl nahe, dass am Spielfeldrand das Nokia-Logo auftaucht.
Aber auch regionale Unternehmen konnten auf dem Photo Play Werbung schalten. Dazu lagen den GerĂ€ten sogar Antragsvorlagen fĂŒr die verschiedenen Brachen mit vorgegeben Slogans vor. Solche Werbung konnte auch ein eher unbedarfter Mensch leicht erstellen: Im Setupmenu gab es im Unterpunkt „Werbung“ einen kleinen, aber zweckmĂ€Ăigen Editor, mit dem man einfache Anzeigen sehr schnell erstellen konnte. Dazu standen dem Benutzer viele Hintergrundbilder im zeittypischen Design, eine Handvoll Schriftarten und verschiedene Farben zur VerfĂŒgung. Man konnte bis zu zehn Textebenen frei auf dem Bildschirm positionieren. Der Werbezeitraum und die -hĂ€ufigkeit konnte ebenfalls konfiguriert werden. Das alles lies sich â ohne einen Blick in das Handbuch werfen zu mĂŒssen â realisieren. Hat man noch die sogenannte „Bedienfreundlichkeit“ der Programme jener Dekade vor Augen, so bestach dieser Editor durch absolute Narrensicherheit.
(Werbehandbuch mit Vorlagen)
Das Video ĂŒber den PP2k
„Ja, das ist alles schön und gut, mich interessiert aber keinen Meter, wie Du an das Ding gekommen bist oder wie das Ding funktioniert.“
Gut, dann musst Du Dir eben nur das Video ansehen:
EinfĂŒhrung in das Gameplay des Photo Play 2000Heute sind GerĂ€te mit Touch allgegenwĂ€rtig und völlig normal. Damals waren die Photo Plays aber extrem cool. WĂ€hrend meines Ferienjobs kamen mich zum Feierabend öfter mal Freunde abholen. Gerne und oft auch eine Stunde zu frĂŒh, denn in der Ausstellung standen u.a. vernetzte Photo Plays im Freeplay-Modus herum, die sie natĂŒrlich ausgiebig bespielten.
Meines Wissens nach stellt die Firma Funworld keine Photo Play-Automaten mehr her. Diese Zeit ist einfach um. In den Spielhallen stehen heute nur noch GlĂŒcksspielgerĂ€te herum und auch in Kneipen findet man heute nur sehr selten Photo Plays, Arcade-Automaten oder gar Flipper. Eigentlich schade, aber jeder hat ja eine Spielkonsole â in Form eines Handys â in der Tasche dabei.
FĂŒr den ordentlichen nostalgische Flashback empfehle ich einen Besuch im Arcade- und Flippermuseum Seligenstadt, welches jeden ersten Samstag im Monat geöffnet hat. Der Eintritt kostet etwas, aber alle GerĂ€te stehen auf Free-Play.