Postbank: Systemfehler

Mir ist im Gespräch mit Leuten, die nicht von der IT-Umstellung der Postbank betroffen sind, einiges aufgefallen. Das möchte ich klarstellen.

Wer bin ich überhaupt?

Wer bin ich schon, mit ein Urteil über die Institution „Postbank“, bzw. „Deutsche Bank“ zu erlauben? Nun, primär bin ich deren Kunde. Also deren König, nicht wahr? Die sehen das natürlich etwas differenzierter. Wir halten aber mal fest: „The Queen is not amused!“.

Und fachlich? Ich beschäftige mich mit dem IT-Ktram seit nunmehr 42 Jahren. Meine ersten Assembler-Programme tippte ich mühsam in ein Philips G7000, danach durchschritt ich den „üblichen“ Weg vieler ITler: Commodore 64, PC, DOS, Windows, Linux – wie das eben so ist.

Ich arbeitete als POS-Techniker, machte eine Ausbildung zum Netzwerk-Engineer für Novell und arbeitete als „Systemspezialist“ für ein kleines IT-Consulting-Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet. „Consulting“ klingt hochtragend, aber ich beriet nicht das Management großer Konzerne im Hinblick auf IT-Fragen, sondern arbeitete bei unterschiedlichen mittelständischen Kunden im 1st- und 2nd-Level-Support und als Administrator oder als „Feuerwehrmann“, wenn es Probleme gab.

Damit gehörte ich also zum Fußvolk in der IT. Ich sorgte dafür, dass der Laden lief und die Leute arbeiten konnten, sodass die Firma wenigstens nicht durch mich vom Konkurs bedroht war. Nicht mehr und nicht weniger. Dadurch erlangte ich aber einen erhellenden, und teils erschreckenden Einblick in viele bekannte und unbekannte Unternehmen und deren interne Organisation und Betriebskultur.

Mit der Zeit entwickelte ich ein Gespür dafür, die wie Firmen ticken. In keiner einzigen Firma basierten Entscheidungen auf rationalen Gründen. Immer gab es Seilschaften, die beachtet werden mussten und in jeder Firma gab es Intriganten und kontrollsüchtige Narzissten, die sich in die Belange der IT einmischen wollten.

Selten wird jemand eine Führungsposition erlangen, der sie nach objektiven Gesichtsgründen auch innehaben sollte. Nach meinen persönlichen Erfahrungen gibt es da unter anderem folgende Typen:

  • Der Narzisst ohne Fähigkeiten: Diese Person wurde aufgrund ihrer Beziehungen und ihres Charmes befördert, ohne über die erforderlichen Fachkenntnisse oder die Fähigkeit zur Führung von Menschen zu verfügen. Machthunger treibt sie an.
  • Der Mikromanager: Diese Person übt eine zu enge Kontrolle über ihre Mitarbeiter aus, ist aber selbst oft nicht in der Lage, Entscheidungen zu treffen. Sie ist das kleine, unsichere Geschwisterchen des Narzissten.
  • Der Opportunist: Diese Person konzentriert sich mehr auf den Aufbau von Netzwerken und die Förderung der eigenen Karriere als auf das Wohl des Unternehmens oder der Mitarbeiter. Im Gegensatz zum Narzissten ist Machtausübung nicht Ziel, sondern bestenfalls Mittel zum Zweck. Triebfeder des eigenen Handelns sind Geld und soziale Anerkennung.
  • Der Aufgerückte: Das Betriebsklima oder die Arbeitsbedingungen in der Firma sind so schlecht, dass weniger qualifizierten Personen automatisch in die Führungspositionen aufrücken, aus denen Neueinstellungen innerhalb kürzester Zeit kündigten. Stellenausschreibungen werden von der Konkurrenz wahrgenommen, also besetzt man die Stelle lieber intern mit unfähigen Mitarbeitern, als den öffentlichen Ruf zu beschädigen.
  • Der Darsteller: Diese Person wurde befördert, weil sie hart arbeitet und bereit ist, Überstunden zu machen, trotzdem sie nicht über die erforderlichen Führungsqualitäten oder das notwendige Fachwissen verfügt. Diese Person lernte früh, dass sie fehlende intellektuelle oder soziale Kompetenzen mit inhaltsleerem Engagement kompensieren kann. Sie treibt vor allem die Verbesserung des eigenen sozialen Status an.
  • Der Ja-Sager: Diese Person sagt immer Ja zu allem, was von ihr verlangt wird, auch wenn es bedeutet, dass sie überfordert ist, und ist nicht in der Lage, effektiv auf Probleme oder Herausforderungen zu reagieren. Für Vorgesetzte ist diese leicht kontrollierbare Person eine angenehme Wahl, weil sie von sich aus keine Ambitionen zeigt, weiter aufzusteigen und damit den eigenen Posten streitig zu machen. Diese Person verfügt über keinen eigenen Antrieb.
  • Der Besserwisser: Diese Person glaubt, alles besser zu wissen und ist nicht bereit, andere Meinungen oder Vorschläge anzuhören. Sie glaubt an bewährte Strukturen und verlässt sich ganz auf einst gelernte, aber überholte Inhalte. Dies kann dazu führen, dass wichtige Informationen übersehen und Entscheidungen unreflektiert getroffen werden. Vorgesetzte befördern diese Person, weil sie kompetent und selbstsicher erscheint. Sie treibt aber nur die Vertuschung der eigenen Unsicherheit an.
  • Der Geist: Diese Person nimmt ihre Verantwortung nicht ernst und ist oft physisch abwesend und unengagiert. Sie ist nicht bereit, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um Probleme zu lösen oder Ziele zu erreichen. Sie kam durch gutes Aussehen oder Charme in diese Position, weil sie zumindest äußerlich wie eine Führungsperson wirkt. Eine eigene Triebfeder hat diese Person nicht, da sie im Leben bisher auch ohne Leistung vorankam.

Das behalten wir einfach mal im Hinterkopf, wenn wir uns die „Störung“ bei der Postbank / Deutschen Bank ansehen.

Wer sich indessen weiter mit diesem Themenkreis befassen möchte, dem empfehle ich folgende Lektüre:

Mein Chef ist irre, Ihrer auch?

Rache am Chef: Die unterschätzte Macht der Mitarbeiter

Nieten in Nadelstreifen

Alternativ auch meine Ausführungen zum Umgang mit Vereinen, die unter ähnlichen Problemen leiden.

„Störung“?

Immer wieder werden die Probleme in der Berichterstattung als „IT-Störung“ bezeichnet. Eine „IT-Störung“ ist aber ein Ereignis, das man nicht, oder im geringen Umfang, zu verantworten hat. Einige Beispiele:

Menschliches Versagen

Das temporäre Versagen einer einzelnen Person, oder auch einer Zweiten, das kann passieren. Wir machen alle Fehler. Eine IT-Umstellung dieses Ausmaßes und von dieser Bedeutung wird nicht von wenigen Personen durchgeführt, die sich nicht gegenseitig kontrollieren. Siehe dazu aber „Fehlplanungen“ weiter unten.

Höhere Gewalt

  • Der Blitz ist in eines der Rechenzentren eingeschlagen oder es brannte eines bis auf die Grundmauern nieder. Das können wir vermutlich ausschließen, denn das wäre ja DIE Ausrede schlechthin gewesen.
  • Ein Hackerangriff. Den gibt man lieber nicht zu, auch wenn man dazu verpflichtet ist. Aber dass der ausgerechnet mit der angekündigten zweiten Welle einhergeht, erscheint dann doch zu abstrus.

Fehlplanungen

Eine Art menschliches Versagen, nicht wahr? Fehlplanungen sind keine Absicht der IT, sondern wurden gelegentlich von Dritten erzwungen. Auch dazu einige Beispiele:

  • Oftmals wird die Bedeutung der IT-Abteilung in „alten“ Firmen komplett unterschätzt und diese Abteilung damit finanziell unterversorgt.
  • Auf der anderen Seite kann es auch sein, dass die IT-Abteilung im Laufe der Jahrzehnte gewachsen ist und in kleinere Untereinheiten zerfiel, die schlecht miteinander kommunizieren oder sogar in Konkurrenz zueinander stehen. Steuert die Leitung der IT nicht gegen, sind Probleme vorprogrammiert.
  • Controller, meist Betriebs- oder Volkswirte ohne die geringste Ahnung von der Bedeutung der IT für die Firma, verhindern dies durch Budget-Kürzungen. Das Kassieren einer Erfolgsprämie für „erfolgreiche“ Einsparungen steht für diese Personen über dem des Wohles der Firma.
  • Die (Zeit-) Vorgaben, die von Vorgesetzten für ein neues Projekt der IT gemacht werden, sind so nicht umsetzbar. Technisch begründete Einwände werden nicht gehört und die Diskussion endete mit dem Satz: „Ihr schafft das schon.“
  • Aber es gibt auch den Störfaktor Mensch in der IT-Abteilung. Die alten Systeme sind historisch gewachsen und wurden von zur Weiterbildung unwilligen Mitarbeitern so lange mehr schlecht als recht am Leben gehalten, bis diese selbst in Rente gingen.
  • ITler neigen oftmals dazu, Dokumentationen so kurz wie irgend möglich zu halten, schlicht, um unkündbar zu werden. Sind die Schnittstellen der Systeme nicht lückenlos dokumentiert, wird eine Systemumstellung schwierig.
  • Einige Systemadministratoren sind tatsächlich so auf die technische Stabilität der eigenen Systeme konzentriert, dass sie die Bedürfnisse der User als Störung betrachten. Das klingt überspitzt, aber das habe ich selbst genauso mehrfach erlebt.
  • Ein solches Verhalten beschädigt den Ruf der IT-Abteilung innerhalb der Firma noch mehr, denn für jeden Windows-Fehler werden die Admins ohnehin persönlich verantwortlich gemacht.
  • Dies alles hat zur Folge, dass qualifizierte ITler das Unternehmen verlassen und die unqualifizierten in Positionen aufrücken, für die sie nicht geeignet sind.

Ursachen?

Ich darf wüst mutmaßen?
Danke.

Der Fehler liegt höchstwahrscheinlich nicht bei den Mitarbeitern der IT-Abteilung, denn wie wir am eigenen Leibe erfahren mussten, fehlte es der zweiten Welle der IT-Umstellung bei der Postbank an absoluten Basics, die man während der Ausbildung lernt oder spätestens in den ersten Monaten im Berufsleben auf die harte Tour beigebracht bekommt:

  • Kein Rollout dieses Ausmaßes ohne ausführliches und dokumentiertes Testing:
  1. Erster Rollout nur für eine kleinere, repräsentative Benutzergruppe.
  2. Überwachung der Auslastung der Systeme.
  3. Einholung von Rückmeldungen der Benutzer

Vielleicht wurde tatsächlich ein kleineres Rollout durchgeführt und keiner der Postbank-Kunden meldete ein Problem? Alles funktionierte bei den ersten migrierten Kunden der Postbank?

Das ist extrem unwahrscheinlich, denn im Online-Banking und in der Banking-App fehlten schlicht grundlegende Funktionen!

Verteidigung?

Eine Systemumstellung solchen Ausmaßes ist natürlich ein echter Albtraum! Ein ununterbrochener Strom von Massen von Daten, den man nicht einfach stoppen kann, sondern im laufenden Betrieb von einem System auf das andere umleiten muss, ist eine enorme Herausforderung.

Man kann ja nicht einfach über das Wochenende den Datenstrom ausschalten, bzw. zwischenspeichern, um ihn Ruhe seine Systeme umstellen zu können und dann diese Datenflut auf das neue System wieder loszulassen… oh… wait! Genau das werden die gemacht haben! 🙂

Systemfehler?

Ja, aber nicht einer der IT-Systeme, sondern einer in der Kommunikation mit den Kunden.

Wie bereits erwähnt: Es fehlten grundlegende Funktionen in den Schnittstellen (Online-Banking und App) zum Kunden. Diese konnten weder Geld abheben, noch es auf andere Konten verschieben. Mag sein, dass dies tatsächlich technische Gründe hatte, aber es wurde im Vorfeld nicht so kommuniziert.

Die Postbank hatte vermutlich die Angst, dass unter den eigenen Kunden eine Panik ausbricht und sie die Geldautomaten bundesweit plündern, wenn diese das wahre Ausmaß der Systemumstellung im Vorfeld erfahren hätten. Schlechte Presse sollte augenscheinlich vermieden werden.

Kommunikation war nie eine der Stärken der Postbank und so verwundert es mich auch nicht sonderlich, dass nach dem Motto „Augen zu und durch!“ verfahren wurde.

Überweisungsaufträge nicht durchzuführen, sowie Abbuchungen platzen zu lassen und den Kunden dafür auch noch Gebühren in Rechnung zu stellen, ist aber an Dreistigkeit kaum noch zu überbieten.

Solche Probleme nicht im Vorfeld erkannt zu haben, ist ein Zeugnis für Hybris – oder für eine nie dagewesene Unfähigkeit.

Kundenauslese?

Wollte die Postbank, die nur noch eine Marke der Deutschen Bank ist, die eigenen Kunden loswerden? Das mag gut möglich sein, denn Privatpersonen mit kleinem Salär sind nicht die primäre Zielgruppe einer Bank, die sich den Ruf eines Horts von Bankstern über Jahrzehnte hart erarbeitet hat.

Genau die kleinen Leute, ohne gefülltes Zweitkonto bei einer anderen Bank, traf es hart, ausgerechnet über den Monats- und Jahreswechsel keinen Zugriff auf ihr Geld zu haben.

Zum Glück haben wir getrennte Konten, da ich nach einem ebenso kurzen wie unerfreulichen Intermezzo mit einem Gemeinschaftskonto bei der Postbank auf keinen Fall komplett dorthin wechseln wollte und bei der ING blieb.

Fazit

Der Imageschaden für die Postbank ist indessen ebenso gewaltig wie selbst gemacht. Das Vertrauen der betroffenen Kunden in die Postbank wurde schwer beschädigt.

Für viele war dies der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Moment. Tropfen? Die Postbank kippte eine wohl gefüllte Badewanne in das bereits bei vielen übervolle Fass.

Auf wir wechselten nach vielen Ärgernissen mit der Postbank zur ING. Auch Du kannst schnell und einfach wechseln: klick

Bildnachweise

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay
Bild von Sabine Kroschel auf Pixabay

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