Vorweg: Ich habe schon über die schlimmen Serien Falling Skies und The Extant geschrieben. Beweggrund war jedesmal, dass mir niemand die Lebenszeit zurückgeben würde, die ich mit dem Konsum dieser Serien verschwendete. Ich schrieb über diese Serien also aus Ärger und zur Warnung der Leser. Aber ich kann auch anders, wenn ich wirklich positiv überrascht bin. Trotzdem muss ich eines zu Beginn loswerden:
Star Trek Discovery ist mir zu modern. Ich kann nichts mit dem Plastik-Look anfangen. Die Serie um Captain Kirk (TOS) soll kurz nach Discovery spielen? So sehr ändert sich also die Ausstattung und das Design der Schiffe innerhalb von fünf oder sechs Jahren? Ja, neee, iss klaa!
Auch die Hauptdarsteller gehen mir auf die Nerven. Schlurfte Martin-Green schon als depressive Schlaftablette auf Tranquilizern durch The Walking Dead, so rennt sie bei „Disco“ als emotionale Zeitbombe mit treuem Dackelblick durch das Set. An ihrer Seite Shazad Latif, der das ähnlich jammervolles Bild eines nassen Waschlappens auf einem Waschbeckenrand abgibt.
Ausgerechnet die unsympathischen Nervensägen Rapp und Wiseman werden später in der Serie zu echten Einschaltgründen. Ja, ich bin ungerecht. Die Schauspieler können nichts dafür, die spielen alle nur die vorgegebenen Rollen. Und wenn Sonequa Martin-Green eben wie ein Reh im Licht der Fernscheinwerfer eines heranrasenden LKWs dreinschauen soll, kann man es ihr vermutlich schlecht persönlich anlasten.
Ich sehnte mich also wieder mal nach ein wenig echter Weltraum-Soap ohne Bling-Bling und Krach-Bumm. Als ich hörte, dass Seth MacFarlane (American Dad, Family Guy, A Million Ways to Die in the West), eine Weltraumserie wie Star Trek plante, war ich nicht gerade voller Vorfreude. Wie soll man sich das vorstellen? Wie Galaxy Quest oder (T)Raumschiff Surprise? Ein reines Comedy-Konzept kann sicher keine ganze Serie tragen. Tja, wir haben aber aktuell kaum gute SciFi-Serien – The Expanse mal ausgenommen – also schaute ich mir die neue Serie halt mal an.
Tatsächlich ist The Orville ein echter Lichtblick und würdiger Bruder im Geiste von Star Trek. Ewig langes Gesülze, zuckersüße Happy-Ends, Technikgebabbel und die nervige erste Direktive – Star Trek beschritt diesen Holzweg seit den 1980ern.
The Orville macht diese Fehler nicht, hat aber durchaus Ansprüche und Moralvorstellungen wie zu Zeiten von Raumschiff Enterprise (TOS). Seth MacFarlane zeigt in The Orville, dass er seine teils gesellschaftskritischen, teils zwischenmenschlichen und moralischen Botschaften nicht immer in puren Klamauk verpacken muss. The Orville ist, entgegen meiner ersten Befürchtungen, eine hervorragende Serie geworden. Sie ist nicht primär eine Comedy-Serie, sondern Star Trek – aber irgendwie „realistischer“.
Das öde Dauergelaber und die technischen und/oder moralisch einwandfreien Lösungen bei Star Trek nerven. Die Charaktere bei Orville machen hingegen genau das, was ich z.B. auch machen würde, wenn mir im Auto jemand eine Pistole an den Kopf halten würde: eine Vollbremsung! Bei Star Trek hätten die Figuren wieder mit Eindämmungsfeldern und Tachyonenimpulsen gearbeitet – oder hätten den Eindringling schlicht zu Tode geredet.
Wo Star Trek zu technisch und die Lösungen zu kompliziert sind, ist The Orville erfrischend hemdsärmelig. Captain Ed Mercer wirkt zwar wie der kleine, unsichere Stiefbruder von James Tiberius Kirk, aber wenn es hart auf hart kommt, steht er Kirk in nichts nach.
Auch die Themen stehen in bester TOS-Tradition. Schwierige Themen werden nicht nur andeutet, sondern auch weiter ausgeführt. Das, was man bei den klassischen Star Trek-Serien (TOS, TNG, DS9, VOY und ENT) nach dem Ansehen der Folgen mit Freunden vertiefend (weiter-) diskutierte, wird hier bereits in der Serie angesprochen. Volksentscheide, soziale Kontrolle, Wahlmanipulation durch soziale Medien, Genderidentität, Beschneidungen, gleichgeschlechtliche Beziehungen oder theokratische Diktaturen. Eine ganz große Verbeugung vor TOS.
Der Humor von Star Trek wird hier (natürlich) deutlich weiter gefasst. Das mag manchmal wie Penälerhumor wirken, ist aber fast immer pointiert. Einige Witze sind daneben, andere treffen genau. Meist werden aber auf witzige Art und Weise genau die Fehler in den Star Trek-Serien angesprochen, die auch echte Trekkies insgeheim immer auf die Schippe nahmen.
Lt. Malloy packt beispielsweise seine Tasche aus und riecht an einem der Schuhe. Das wirkte nicht aufgesetzt, sondern beiläufig und normal. Warum auch nicht? Normale Menschen machen so etwas, Bewohner des Star Trek Universums aber eben nicht.
Die künstliche Lebensform Isaac erinnert (natürlich) an Mr. Spock oder Data. Wenn er von Malloy unbemerkt ein Mr. Potato Head Aussehen verpasst bekommt, wirkt das zwar groteskt, aber seltsamer Weise nicht sonderlich unrealistisch. (BTW: Das Bein Malloys wurde eigentlich unter dem Knie abgetrennt, nicht am Hüftgelenk.)
Bei The Orville wird am Arbeitsplatz Limo (oder gar Bier getrunken) und auf die Toilette gegangen. Ich habe bei keiner Star Trek Serie jemals eine Toilette gesehen. Auch normal: Im Hintergrund der Übertragung des Leiters einer Station, leckt sich ein Beagle auf dem Sofa ausführlich den Schritt.
Es sind diese unterhaltsamen Kleinigkeiten, die den Zuschauer die Mundwinkel heben lassen: Ja, doch, das gefällt mir alles und erdet die Serie auf einfache Art. Angenehm ist zudem, dass die Folgen zeitgemäß schnell und kurzweilig erzählt werden, auch wenn die Charakterzeichnung der Figuren dabei manchmal zu kurz kommt.
Wir erleben hier eine gute, altmodische Ausleuchtung des Sets. Keine Lensflares, keine stockdunklen Räume ohne Orientierung, keine wild drehenden Kamerafahrten. Optisch die reinste Erholung.
Die Optik der Brücke orientiert sich an dem warmen Hollyday-Inn-Look von TNG, der hier behutsam auf 1960er-Jahre getrimmt wurde. Im Detail mag es billig wirken, aber ich habe das Design wirklich gerne. Es ist natürlich alles zwei Klassen unter Star Trek, aber wenigstens muss ich mir nicht eine gespachtelte Holztür wie bei TNG (auf der Brücke) ansehen.
SciFi- und Serien-Fans treffen in der Serie viele alte Bekannte wieder, die augenscheinlich enormen Spaß an ihren Rollen haben. Victor Garber, Brian George, Jeffrey Tambor, Robert Knepper, James Morrison sowie natürlich Liam Neeson und Charlize Theron (beide standen bereits mit MacFarlane in A Million Ways to Die in the West vor der Kamera)
Alles in Allem ist The Orville für mich die beste Star Trek-Serie, die es in den letzten Jahrzehnten gab.