Jedes Schulmädchen schließt sein Tagebuch ganz selbstverständlich ab und verwahrt es an einem sicheren Ort. Dabei sind die Folgen, wenn jemand diese Zeilen lesen würde, bestenfalls peinlich. Lassen wir auch die Wohnungstür offen, damit die Nachbarn unsere Tagebücher, Steuererklärungen und Fotoalben durchsuchen können? Natürlich nicht.
Wie kommt es, dass wir Daten in Papierform einen höheren Stellenwert zubilligen als den Daten die auf unseren Smartphones und Notebooks gespeichert sind? Meist ist es Unwissenheit. Unwissenheit über die Missbrauchsmöglichkeiten und auch Unwissenheit über die Möglichkeiten zum Schutz der eigenen Daten.
Datenschutz ist keine abstrakte Angelegenheit und auch nicht durch dunkle Dritte bedroht. Nein, der plaudernde Bekannte ist oftmals das Problem. Oder der Arbeitskollege, der das Bild des Kumpels teilt.
„Datenschutz ist ein Begriff, der leider nicht hinreichend klar ist (…)
Es geht ja nicht um den Schutz der Daten als solche, sondern um den um Schutz von Menschen vor anderen Menschen (…)“
Hans Peter Bull, Bundesdatenschutzbeauftragter von 1978 bis 1983, heise.de
Nein, wir haben immer noch nicht so recht begriffen, was Datenerfassung und -auswertung für uns und das Leben unserer Kinder bedeutet. In einer globalisierten Welt, in der die Konzerne weltumspannend agieren, fehlen bisher funktionierende und allgemein gültige Regeln für den Umgang mit unseren persönlichen Daten.
Vielleicht ist für manche Politiker die vernetzte Welt „Neuland“, während sich die Firmen und Bürger bereits sehr lange darin bewegen. Notfalls wird sogar ein Standard für einen Emaildienst schlicht per Gesetz als sicher erklärt, auch wenn er es nicht ist und es aufgrund der Vorgaben durch die Verantwortlichen auch nie sein kann.
Wir können nicht mehr auf die Politik warten, wenn uns etwas an unserer Privatsphäre liegt. Wir müssen jetzt etwas unternehmen. Jeder einzelne von uns steht in der Verantwortung. Das Thema Datenschutz mag unsexy sein. Es mag sogar Angst machen. Deswegen wird der Gedanke an Datenschutz gerne verdrängt. Lass es mich auf eine andere Weise versuchen:
Wenn Du nicht auf Deine Daten aufpasst, kann Dich das – nicht nur finanziell – teuer zu stehen kommen.
Nein, hier drückt nicht der Aluhut, hier gibt es keine Verschwörungen. Wenn ich von „Manipulationen“ spreche, so meine ich das nicht reißerisch oder anklagend. „Cui bono“ – wem nützt es? Diese Frage mag tatsächlich legitim sein. Ich möchte aber, dass Du Dir eine andere, ähnliche Frage stellst und diese ganz ehrlich für Dich selber beantwortest:
Was würde ich an Stelle der Konzerne, der Politik oder der Geheimdienstler tun,
wenn ich die gleichen Möglichkeiten hätte und meinen Job gut machen möchte?
Ich antworte Dir darauf ganz ehrlich: Ich würde jede Information sammeln und auswerten, an die ich herankommen würde, wenn dies dem Schutz der deutschen Bevölkerung dienen würde. Ich würde meine ganze Kreativität einbringen und hätte vermutlich nicht einmal ein schlechtes Gewissen, weil ich mich auf der Seite der Guten wähnen würde. Bist Du schockiert?
Glaubst Du wirklich, dass es gute und böse Menschen gibt? Schwarz und weiß? Keiner der großen Despoten hielt sich oder sein Tun für schlecht. „Große Aufgaben erfordern Opfer.“ – eine gern gewählte Entschuldigung für alle möglichen Verbrechen. Ob flächendeckende Überwachung, wie sie bei uns eingeführt werden soll, ein Verbrechen an der Demokratie ist, sie aushöhlt und vergiftet, werden erst spätere Generationen genauer beantworten können. Dann ist es aber zu spät. Als Otto Normalverbraucher stehen wir einfach zu dicht vor dem Gesamtbild. Wir benötigen zur Beurteilung unserer eigenen Situation inzwischen die Hilfe von Experten aus der Technikfolgenabschätzung.
Wir müssen uns aber auch selber an die Nase fassen, unser Verhalten überdenken. Der (mit Verlaub) dümmste aller Sätze ist „Ich habe nichts zu verbergen!„. Menschen, die Dir in einer Datenschutzdiskussion diesen Satz entgegnen, leben im Geiste in einer durch und durch analogen Welt und bemerken den Wandel um sie herum nicht – bis es zu spät ist. Man kann alles gegen jeden verwenden, wenn man im Zuge von BigData durch intransparente Algorithmen nur genug Daten kreativ miteinander verknüpft. Auch deshalb sollten wir aufhören, selber aktiv die Datensammler zu füttern. Als schönes Schlusswort zitiere ich aus einer Präsentation zum Datamining den Data Scientist David Kriesel:
„Wenn wir völlig unkritisch mit uns selbst sind und jeden Mist in Facebook und ähnliche Plattformen pumpen,
dann haben wir nichts gewonnen.“
David Kriesel, 33c3