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Ich habe mir einen günstigen Geigerzähler auf eBay gekauft, den BR-9B. Hier stelle ich ihn kurz vor
Der BR-9B ist immer wieder für einen guten Kurs mit Versand aus Deutschland zu haben. Mir ging es nicht um Präzision und ich benötige ihn auch nicht für wissenschaftliche Zwecke. Nach etwas Recherche wurde schnell klar, dass dieser Geigerzähler für rund 40 EUR keine schlechte Wahl ist.
Alphastrahlung kann er nicht messen, bzw. nur im offenen Zustand, denn selbst das bisschen Plastik vor dem Zählrohr schirmt die harte Alphastrahlung zuverlässig ab. Aber er kann Beta-, Gamma- und Röntgenstrahlung feststellen. Letzterer ist man beispielsweise während eines Fluges ausgesetzt.
Warum einen Geigerzähler?
Ich habe ihn mir mehr aus Neugier gekauft. Und natürlich, weil der wahnsinnige Despot Putin zu irrationalen Handlungen neigt. Aber nicht nur das Horrorszenario eines Atomkrieges, oder auch nur der „begrenzte“ Einsatz kleiner taktischer Atombomben lässt in einem den Wunsch aufkommen, sich so einen Geigerzähler in die Schublade zu legen. Tschernobyl ist für viele von uns noch unvergessen. Strahlende Pilze, strahlende Sandkästen und strahlende Obstkörbe. Es gab nichts, was nicht argwöhnisch beäugt wurde. Mit einem Geigerzähler kann man wenigstens nachmessen, das sollte beruhigen.
Ein alter Arbeitskollege, der vor Jahren wieder nach Japan gezogen ist, bat mich nach Fukushima, ihm einen Geigerzähler zu besorgen. Kein Ding, dachte ich, die gibt es bei Conrad und Co. Ich schicke ihm gerne so ein Ding. Pustekuchen! Alles ausverkauft! Die beknackten Deutschen hatten tatsächlich Angst, dass eine radioaktive Wolke einmal um den halben Erdball kreist, um dann über dem eigenen Vorgarten in Hintertupfing abzuregnen.
Wie dem auch sei: 1986 hätten wir gut einen Geigerzähler brauchen können – und haben ist besser als brauchen. Wie war das aber noch gleich mit der Halbwertzeit? Während Jod und Cäsium innerhalb weniger Wochen zerfallen sind, tun einem Cäsium 134 und 137 diesen Gefallen nicht: Die Halbwerzeit von Cäsium 137 beträgt rund dreißig Jahre, was bedeutet, dass sich die Strahlungsintensität alle dreißig Jahre halbiert.
Trotzdem darf man auch die Stoffe mit geringerer Halbwertzeit nicht unterschätzen, denn für die Belastung der deutschen Bevölkerung mit radioaktivem Jod reichte damals bereits die Menge von einem Gramm aus, das auf die gesamte Bundesrepublik verteilt war!
Strontium und Plutonium wurden vor allem im Umkreis des havarierten Reaktors abgelagert. Die Halbwertzeit von Plutonium 239 liegt bei rund 25.000 Jahren. Das strahlt dort also noch wie am ersten Tage.
Ionisierende Strahlungen
Nur ganz grob und vereinfacht erklärt: Ionisierende Strahlung ist gefährlich, weil sie Elektronen aus dem Atomkern herausschlagen kann. Die Zellen, die letztlich aus Atomen bestehen, goutieren dies in der Regel nicht. Das Erbgut wird beschädigt, Krebserkrankungen entstehen.
Alphastrahlung
Alphastrahlung ist zwar eine schwere Strahlung, aber sie dringt nicht tief in Materie ein. Für den Menschen ist sie gefährlich, wenn man Partikel, die Alphastrahlung aussenden, einatmet oder verschluckt. In diesem Falle ist eine Krebserkrankung vorprogrammiert. Ein bekannter natürlich vorkommender Strahler von Alphastrahlung ist das Radon-Gas, welches sich in einigen Gebieten Deutschlands in den Kellern sammeln kann. Für den Nachweis gibt es spezielle Testgeräte wie das Radon Eye. Der Geigerzähler BR-9B kann Alphastrahlung nicht messen, ohne dass man ihn zerlegt und die Probe dicht an das Zählrohr hält.
Um sich vor Alphastrahlung zu schützen, reicht im Prinzip bereits ein Blatt Papier oder ein ausreichender Abstand zur Strahlungsquelle.
Betastrahlung
Betastrahlung dringt tiefer in den Körper ein und verursacht unter anderem Verbrennungen. Partikel, die Betastrahlung emittieren, sollte man natürlich ebenfalls nicht in den Körper aufnehmen. Im Falle einer nuklearen Katastrophe werden insbesondere Jodtabletten ausgegeben, die verhindern sollen, dass die Schilddrüse kein radioaktives Jod aufnimmt und dadurch Schilddrüsenkrebs entsteht. Der Geigerzähler BR-9B kann Betastrahlung messen.
Vor Betastrahlung schützt unter anderem mehrere Millimeter starkes Aluminiumblech.
Gammastrahlung
Gammastrahlung ist eine hochenergetische elektromagnetische Strahlung mit großer Reichweite. Sie durchdringt Materie problemlos. Gammastrahlung ist das, was wir aus Filmen so fürchten und vor dem nur dicke Blei- oder noch dickere Betonwände schützen können. Wird man hohen Dosen von Gammastrahlung auch nur kurzzeitig ausgesetzt, werden die Zellen zerstört, was innerhalb von wenigen Tagen zum Tode führt. Der Geigerzähler BR-9B kann Gammastrahlung messen.
Hier hilft nur, zwischen sich und der Strahlungsquelle möglichst rasch möglichst viel Entfernung zu bringen.
Zählrohr?
Nur ganz kurz und sehr vereinfacht: Glasröhrchen (oder eines aus Aluminium) ist mit einem Edelgas gefüllt. Außen Minus-Pol, innen ein Draht mit dem Pluspol.
Nun rammelt ein negativ geladenes Elektron (ionisierende Strahlung) durch die Röhre, knallt gegen ein negativ geladenes Elektron eines Edelgasatoms, bricht es aus der Atomhülle und schießt es durch die Gasfüllung. Das trifft auf andere Atome und schnickt auch deren Elektronen weg. Das nennt man eine Elektronenlawine, die vom Pluspol in der Mitte des Rohres angezogen werden.
Die indessen positiv geladenen Edelgasatome werden von der Außenseite des Röhrchens angezogen und werden dort wieder neutral geladen. Ein Strom fließt in der Größe der Elektronenlawine durch ein Zählwerk.
µSv/h?
Mikrosievert pro Stunde, oder kurz und falsch auch Mikrosievert genannt, ist die „Ortsdosisleistung“. Normal sind in Deutschland zwischen 0,05 und 0,20 µSv/h. Ich lasse das Gerät laufen und messe am Rande des Odenwaldes im Schnitt der letzten sieben Minuten 0,19 µSv/h.
Wann wird es gefährlich?
Ab einem bis eineinhalb Sievert erleidet man Verbrennung, Haarausfall und Übelkeit. Das Immunsystem wird geschwächt. Symptome einer typischen Strahlenkrankheit. Das ist nachvollziehbar nicht gut.
Ab vier Sievert ist für die Hälfte der Betroffenen Feierabend. Sie sterben einen unerfreulichen Tod.
Ab sieben Sievert ist auch für die stärkste Restnatur Schicht im Schacht. Das überlebt niemand.
Einordnung
Die Ortsdosisleistung betrug in München am Tag nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl 1 Mikrosievert pro Stunde. „Was? So hoch? Vielen den Leuten damals die Haare aus?“ Hallo? MIKROsievert! Die aufgenommene Strahlendosis hätte Einhundertmal höher sein müssen. Die Strahlung war nur rund sechsmal so hoch wie normal.
Die normale Strahlenbelastung durch die kosmische und auf der Erde natürlich vorkommende Strahlungen beträgt ca. 0,3 Millisievert (300 µSv) pro Jahr.
Mein „Test“
Wer misst, misst Mist. Aber darum geht es mir hier gar nicht. Was soll man aber auch an einem Gerät testen, das keine Einstellmöglichkeiten bietet? Da tickert was, es werden Zahlen und Diagramme angezeigt und damit ich nicht nachdenken muss, steht auch im Klartext auf dem Display, ob die Strahlung noch normal ist. Benötigt man mehr?
Selbstverständlich könnte ich mir nun geeichte Strahlungsquellen kaufen, mit Kennermiene das Gerät darüber halten und darüber schwadronieren, ob es Taug hat. Ich will aber weder Euch noch mich selbst verarschen, denn ich habe schlicht keine Ahnung und keine Erfahrung. Das Gerät wurde weltweit verkauft und auch hunderte Male von Leuten getestet, die sich damit auskennen. Die fanden das Ding knorke. Wer bin ich, denen nicht zu glauben?
Mir musste ein Test mit einem uralten Wecker mit Leuchtziffern reichen. Da drehte das Gerät schon am Rad und zeigte 0,65 µSv/h. Einen Signalton beim Überschreiten der 0,5 µSv/h-Grenze gab es nicht, aber die Anzeige wechselte von „normal“ auf „over standard“. Das zeigte sie auch noch bei 2.0 µSv/h so an. Mehr konnte ich mit dem alten Wecker und offenen Geigerzähler-Gehäuse nicht messen. Da Leuchtfarbe früher oft auch Alphastrahler enthielt, zeigt der Test doch ganz gut, dass die Alphastrahlung durch das Gehäuse abgeschirmt wird.
Wer sich näher mit dem Thema Messen von Radioaktivität befassen will, dem empfehle ich das Geigerzähler-Forum.
Fähigkeiten
Ich kann die Angaben des Herstellers nicht nachprüfen, aber der gibt sie wie folgt an:
- Messbereich: 0-99.99 μsv/h
- Empfindlichkeit: 80cpm/μsv/(Co-60)
- Sensor: Geiger-Müller-Zählrohr
- Genauigkeit: 0.01μsv/h
Beta-, Gamma- und Röntgenstrahlung sind nachweisbar.
Gehäuse
Haptik
Na ja, ein Gehäuse aus ABS ist nichts Besonderes. Die Gehäusewände sind zwei Millimeter stark. Die Gehäuseabmessungen betragen (B x H x T) in etwa 7 x 10 x 3 Zentimeter. Ich bin kein Raucher, aber vielleicht so groß wie eine übergewichtige Zigarettenpackung? Nur eben mit einem Leergewicht von 105 Gramm. Die Verarbeitung ist … määäh. Die Seiten lassen sich schon etwas eindrücken, wenn man es darauf anlegt.
Robustheit
Das Zählrohr ist aus Glas, das ist zerbrechlich. Das Gehäuse verfügt über keinerlei Gummielemente, weswegen ich auf einen Falltest verzichte und Euch dasselbe rate.
Praktikabilität
Das Gehäuse kann man an der üblichen Aussparung für eine Schraube an eine Wand hängen. Für den Einsatz als Dosimeter hätte man sich aber noch eine Öse für einen Karabiner oder etwas Ähnliches gewünscht.
Display
Weder ist das Display sonderlich hell, noch bietet es eine große Blinkwinkelunabhängigkeit. Es scheint ein einfaches 2,75″ TN-Display zu sein. Aber es ist wenigstens in Farbe. :-)
Hinreichend groß werden folgende Werte angezeigt:
- REAL – die aktuell gemessene Strahlenbelastung in µSv/h
- AVG – die Belastung im Schnitt der letzten sieben Minuten in µSv/h
- ACC – die Gesamtbelastung in mSv/h (Millisievert). Dieser Wert bleibt auch nach dem Ausschalten erhalten und dient als Dosimeter.
Diagramm
Das läuft immer von links nach rechts durch und benötigt für einen Durchlauf drei Minuten. Es dient einem schnellen Überblick, ob es Peaks gibt.
Sound
Tiefe Bässe, kristallklare Höhen – benötigt hier niemand. Der Ticker ist nicht sonderlich laut, dafür nervt er auch nicht.
Bedienung
Die Tasten L, M und R sind nur für die folgenden Funktionen zuständig:
- L – Ton ein oder aus
- M – Diagramm und Durchschnittswert zurücksetzen
- R – Display ein- und ausschalten
- Drückt man L und R zeitgleich, wird auch ACC, die akkumulierte Belastung (Dosimeter), zurückgesetzt.
- On und Off ist selbsterklärend.
https://www.youtube.com/watch?v=hzQ7XAU3Ras
Energieverbrauch
Der Energieverbrauch soll bei 20 mA liegen. Rechts befindet sich eine Micro-USB-Buchse, mit der man eingelegte Akkus laden kann. Ich benutze AA-Batterien und ließ das Gerät stundenlang mit eingeschaltetem Display laufen. Die Batterieanzeige veränderte sich nicht. Nun gut, die hat aber auch nur drei Balken. :-)
Geht man davon aus, dass eine einfache AA-Batterie 2.000 mAh im Schnitt hat, sollte man das Gerät vier Tage am Stück durchlaufen lassen können.
Wer das Gerät wirklich an die Wand hängen will, damit er mit seinem Morgenkaffee wie weiland der Großvater im Morgenrock vor seinem Barometer stehen kann, der kann die Batterien auch herausnehmen und das Gerät ausschließlich durch den USB-Anschluss mit Strom versorgen.
Datenerfassung
Ich persönlich würde mir wünschen, dass man die erfassten Daten auch auslesen und in den ioBroker übertragen könnte. Die USB-Buchse dient ausschließlich dem Laden, aber auf dem Mainboard sah ich eine Buchse „JA1“, die verdächtig nach einem UART-Anschluss aussah. Ein Versuch mit einem FT232RL war fruchtlos, denn ich konnte keine Verbindung aufbauen. Aber vielleicht kann mir hier jemand helfen? Verbaut ist ein STC 8A8K64D4 SoC.
Fazit
Ich empfinde das Ding als gut und würde es auch wieder kaufen. Ihr könnt es hier beziehen.
Interessantes Teil, habe mir auch eins gekauft. Für das Geld baut man es z.B. mit einem SBM-20 Zählrohr nicht selbst.
Zum übertragen der Daten könnte man evtl. den Impuls abgreifen und mit einem ESP (Tasmota) zählen. Ein ESP-01 sollte noch locker in das Gehäuse passen.
WoWWW mega gemacht und gut geschrieben ;)
Wir haben nun auch einen bestellt für glatte 35,-Euros
und haben vor auf XXXX-XXX.com sämtliche Zutaten
von Black-Stores zu testen (MSC-Fisch kommt gerne
aus Fanggebieten nahe Fukushima).
Danke und weiter so, Spende ist sicher.
Werbung für einen Lieferdienst zu platzieren, der verstrahlten Fisch liefert? Kann man sich nicht ausdenken. :-)
Und wo bleibt die Spende? :-D