Das ideale Zugfahrzeug – Eine Glaubenssache. Keine Frage. Dabei muss man nicht glauben – man muss nur wissen. Hier zeige ich Dir, wie Du das ideale Zugfahrzeug findest.
Grundüberlegungen
Ich nehme als Grundlage unseren Tabbert Kornett, der maximal 1.500 kg wiegen darf. ca. 8 Meter lang, 2,40 Meter breit. Ein normaler Familienwohnwagen. Ein Einachser. Zweiachser liegen einfach geiler auf der Bahn, sind aber auch schwerer zu rangieren. Mehr zum idealen Wohnwagen findest Du hier.
Wenn Ihr natürlich einen viel kleineren, leichteren Wohnwagen ziehen wollt, es gibt auch welche für Kleinstwagen, keine Frage, dann müsst Ihr meine Ausführungen eben geistig übertragen.
Was ist ein Zugfahrzeug?
Da stellen wir uns mal ganz dumm: Mein alter Espace konnte/durfte bei 1.300 kg Leergewicht 1.800 kg ziehen. 2,2 Liter Benziner, 107 PS, Handschalter.
Die Gespannfahrer unter den Espace-Freunden sagen unisono: Der J637 (und vor allem der J638) sind als Schalter ideale Zugfahrzeuge für einen Wohnwagen. Bereits der JE fiel im direkten Vergleich dazu völlig ab.
Also: die Leute sind vom Espace angetan und ich hätte damit auch sicherlich den Wohnwagen gezogen, aber eigentlich halte ich den Espace dafür für zu leicht. Auch wenn der Espace einen Wohnwagen mit bis zu 1.560 kg Gesamtgewicht auch mit 100 km/h hätte ziehen dürfen.
Meine persönliche Idealvorstellung
Meine Vorstellung eines idealen und vernünftigen Zugfahrzeuges: schwer, hoch, breit, geringe Überhänge. Turbodiesel mit Wandlerautomatik. Oder ein großer Turbobenziner (aber die saufen). Oder ein Elektrofahrzeug – wenn es denn einen so großen Wohnwagen ziehen dürfte.
Math rulez!
Wenn Du dann also Dein Traumauto gefunden hast, kommt der Realitätscheck. Nein, Du musst nicht mit Deiner Wohndose zum Autohändler fahren! Allein die technischen Daten reichen aus, um die Eignung eines Fahrzeuges als Zugfahrzeug zu berechnen:
Hier wählst Du Fahrzeug und Wohnwagen aus und der Rechner spuckt Dir aus, ob Du mit dem Gespann glücklich werden kannst, schweißgebadet am Urlaubsort ankommst, oder mit dem Rettungshubschrauber zum nächsten Klinikum geflogen wirst.
Unseren Kornett gibt es nicht in der Datenbank, deswegen wählte ich die Comtesse 540 und passte Leer- und Gesamtgewicht an. Die Abmessungen passen aber (Luftwiderstand).
Beispiele
Rodius und Rexton
Leistung: 4,4 Sterne
Gewicht: 5 Sterne
Flachland: 268 Punkte
Schleudergefahr 228
Gebirge: 296
Durchzug: 256
1048 Punkte gesamt
„Gutes Gespann“
Der Rexton hat fast identische Werte, auch wenn er etwas leichter als der Rodius ist. Tatsächlich ist der Rodius im direkten Vergleich mit dem Rexton einen Hauch nervöser und die Hinterachse taucht auf Bodenwellen mehr ein. Das liegt beides am langen hinteren Überhang des Rodius. Trotzdem ist die Gespannfahrt damit mehr als angenehm und der Verbrauch großartig. „Gutes Gespann“ unterschreibe ich. Bis nach Kroatien? Auf einer Arschbacke.
Trajet
Leitung: 3 Sterne
Gewicht: 3,4 Sterne
Flachland: 203 Punkte
Schleudergefahr: 151
Gebirge: 160
Durchzug: 102
616 Punkte gesamt
„Gespann ist geeignet“
Der Trajet… na ja, das Anfahren am Berg brauchte schon Konzentration, wenn man nicht einfach die Kupplung bei 5.000 U/min schleifen lassen wollte. Beruhigt hatte mich das leise Knarzen der hinteren Fenster ihn ihren Dichtungen auch nicht.
Es ging, war aber nicht so entspannend, wie gehofft. Der Verbrauch lag bei deutlich über 10 Litern.
„Gespann ist geeignet“. Ja, über längere Strecken, z.B. bis nach Kroatien, ist man schon froh, wenn man dort angekommen ist.
Das Upgrade auf Rexton/Rodius hat sich in unserem Falle gelohnt.
Was ist mit den beiden anderen Fahrzeugen, die wir im Auge hatten?
Der Galaxy und der Carens? Beide als Automatik und Diesel?
Wie zuvor erwähnt: Den Galaxy mit Wandler zu bekommen ist nicht leicht (gewesen).
KIA Carens
Der Carens… das war so:
Wir stehen beim Kia-Händler und meine Frau sitzt im Büro und verhandelt bereits. Ich lehne im Türrahmen und bin nicht begeister.
Verkäufer: „Gefällt er ihnen nicht?“
Ich: „Doch, ist hübsch und nett.“
„Aber Sie fühlen nichts bei dem Auto, oder?“
„Doch, Angst!“
Ich saß zur Probe in dem Auto und schaute durch das kleine Heckfenster. Stellte mir vor, wie ich das Tabbert-Logo innenspiegelfüllend auf dem Flaschenkasten sehen würde.
Neeee, neeee, echt nicht!
Hatte ich recht?
Leistung: 4 Sterne
Gewicht: 2,5 Sterne
Flachland: 179 Punkte
Schleudergefahr: 120
Gebirge: 213
Durchzug: 217
729 Punkte gesamt
„Für dieses Gespann werden einige Kenntnisse und Erfahrungen mit Wohnwagen empfohlen“.
Hier sieht man, warum der Zugwagenrechner keine Gesamtpunktzahl ausgibt (die habe ich selbst errechnet): Der Trajet hat 616 Punkte, der Carens immerhin mehr als 100 Punkte mehr!
Aber das täuscht! Der Motor reißt beim Durchzug und im Gebirge alles raus, aber das Fahrzeug ist einfach viel zu leicht für diesen Wohnwagen!
Ja, lieber Carens-Fahrer, Du hast da ganz andere Erfahrungen gemacht und ziehst auch noch einen viiiiel schwereren Wohnwagen mit genau diesem Auto! Ganz entspannt.
Oder mit einem Zafira (den von Opel, nicht den von Peugeot).
Oder einen Mokka.
Oder mit einem Touran.
Oder mit einem B-Max.
Oder mit einem Fiat 500X
Oder mit einem Freemont.
Spielt keine Rolle, alles das gleiche Spiel.
Macht mal, ist nicht mein Ding und ich hoffe, ich muss niemals dieselbe Autobahn mit Euch teilen.
Focht Galaxy
Der Galaxy: leider nur marginal besser als der Carens.
Und wenn ich den Espace noch fahren würde? Der als Zugfahrzeug bei den Fans einen guten Ruf hatte?
Rönö Espaß
Das hätten meine Nerven nicht mitgemacht. Vor allem nicht als Gespann-Anfänger, der ich mit dem Trajet war. Jedes andere ins Auge gefasste Fahrzeug war besser.
Aber… einen habe ich noch!
KIA Picanto
Früher hatten die den Picanto auch als Schalter in der Datenbank. Damals stand da IIRC: „Möglicherweise lauterer Motor am Berg (7.000 U/min)“. :-D Das wäre er schon im Begrenzer, sorry. :-D
SCNR! Das Bild ist schon echt. Aber in Ermangelung eines Traktors (und eines Movers), einer nicht einmal drei Meter breiten Straße und einer Wiese, auf der wir damals noch den Wohnwagen vor dem Bau der Garage abstellten, war der Picanto schon eine gute Rangierhilfe.
Nein, da geht nichts kaputt. Auch bei 25 kg Stützlast nicht, das hat doch nur fahrdynamische Gründe.
Tipps
Der Weg ist das Ziel
Denkt daran, dass der Urlaub mit der Fahrt beginnt und endet. Wollt Ihr auf dem Heimweg all die Entspannung durch ein nervöses Gespann wieder verlieren?
Pausen machen! Ressourcen nutzen!
Regelmäßige Pausen machen. Einen Kaffee im Wohnwagen trinken, die eigene Toilette benutzen. Im Wohnwagen übernachten. Nutzt den Wohnwagen schon während der Fahrt!
Passendes Zugfahrzeug
Zu kleines Zugfahrzeug? Das hat alles nichts mit einem „überlegenen“ Fahrzeughersteller, falschem Heldentum oder „fahrerischen Können“ zu tun, sondern nur mit Physik.
Passendes Getriebe
Ich sage immer noch: Eine Wandlerautomatik ist das beste Getriebe für ein Zugfahrzeug. Finger weg von Doppelkupplungs-Getrieben, die sind für schnelles Fahren entwickelt worden und sind auf keinen Fall für das Ziehen schwerer Lasten geeignet.
Wenig Wasser mitführen
Denkt daran: Ihr müsst keine Tonnen an Lebensmitteln mitnehmen, denn dort, wo Ihr hinwollt, leben Menschen, die auch in Supermärkten einkaufen. Seid bitte nicht typisch deutsch! Füllt auch nicht den Frischwassertank voll, das ist sinnfrei.
Gewicht kontrollieren
Die Stützlast möglichst ausnutzen und das Gespann und den Wohnwagen einzeln auf einer Waage wiegen lassen. Die gibt es in Steinbrüchen und bei Entsorgungsunternehmen für Kleingeld in die Kaffeetasse. Macht das einen Tag vor der Abfahrt.
Oder auch den neuen Wohnwagen nach dem Kauf direkt wiegen. Die Angaben im Fahrzeugschein stimmen oft nicht – und wenn Ihr weniger laden könnt, müsst Ihr noch besser planen.
Die Stützlast lasst sich auch mit einem Stück Dachlatte und einer Personenwaage messen. Da braucht es keine teure Deichselwaage.
Sicherheitszubehör kaufen
Pflichtzubehör an einem Wohnwagen sind allerdings: Anti-Schlinger-Kupplung, AAA-Bremsen (selbstnachstellend). Ein einfaches Reifendruck-Kontroll-System für den Zigarettenanzünder. Auch ein Anhänger-ESP ist zwar nicht billig, rettet im Zweifel aber Leben.
Bremsen! Bremsen! Bremsen!
Wenn der Wohnwagen anfängt zu schlingern, dann gibt es nur eine Sache, die Ihr machen müsst: BREMSEN!
Es ist lebensgefährlicher Schwachsinn, dass man das Gespann durch Gasgeben „gerade ziehen“ könnte!
Bremsen bringt den Wohnwagen durch dessen Auflaufbremse dazu selbst zu bremsen (das Anhänger-ESP macht genau dies!) und Ihr baut dabei noch Geschwindigkeit ab, was im Falle des Falles Leben rettet.
Gewichtsverteilung
Die schweren Dinge in den unteren Fächern über der Achse platzieren. Nur leichte Dinge nach oben, vorne oder hinten!
Einen Fahrradträger am Heck sollte man nicht einmal für ein Kinderrad benutzen, da selbst so ein geringes Gewicht – auch bei einer sonst optimalen Gewichtsverteilung mit passender Stützlast – das Fahrverhalten des Wohnwagens deutlich negativ beeinflusst.
Der ADAC hat zur Gewichtsverteilung ein Video gemacht, das es absolut trifft:
Fazit
Sucht Euch ein Auto aus, das Euch gefällt und checkt es mit dem o.a. Zugwagenrechner gegen. Wenn das passt, dann passt es.