Für mein Redmi Note 5 kaufte ich mir einen Weitwinkelvorsatz. Zusammen mit den ganzen anderen Brocken, genauer gesagt einige Tage später. Das Handy hat nur ein zweites Kameramodul für das Bokeh der Porträtaufnahmen und keine weitere Kamera mit Weitwinkel.
Handy ohne Weitwinkelkamera
Meine Videokamera ist auch nicht so weitwinklig und hat auch keine Möglichkeit dort ein Weitwinkelobjektiv zu montieren. Ich besitze keine Actioncam im eigentlichen Sinne, „nur“ eine Gear 360, die, man ahnt es schon, nur 180 oder 360-Grad-Aufnahmen machen kann.
Will man damit Videos aufnehmen, wird es ganz seltsam. Samsung hat den Temperaturhaushalt diese Kameras nie in den Griff bekommen und so neigen sie dazu, sich beim Videodreh wegen Überhitzung abzuschalten.
Zudem besitze ich ja sowieso schon den o. a. Gimbal für ein Handy, in das die Gear nicht hineinpasst und welches sie auch gar nicht steuern könnte.
Schlechte Erfahrungen
Ich hatte bereits schlechte Erfahrungen mit so einem 5-Euro-Weitwinkel-/Macro-Set von der Resterampe gemacht. Das Ding hatte ich vor einigen Jahren aus einer Laune heraus mitgenommen. Rausgeschmissenes Geld.
Es war zwar weitwinklig, aber die Linse war viel zu klein und so war das Videobild mit einem runden schwarzen Rand versehen. Von Schärfe konnte auch keine Rede sein. Nirgendwo im Bild.
Internetbildung
In diesem Neuland sah ich mir diverse Videos an und las Amazon-Rezensionen. Erstere waren ermutigend, letztere… nun… Ihr kennt alle die 70 Prozent der Rezensionen-Schreiber, die sich etwas kaufen und weder Ahnung haben, was sie gekauft haben, noch wie man es benutzt.
Richtig frei drehen diese Leute bei den Produktfragen, die man stellen kann. Auf beiden Seiten: Fragesteller und Antwortende. „Funktioniert diese Linse mit meinem Nokia 5210?“ – „Das weiß ich nicht, ich habe die Bestellung storniert!“ :-D
Aber diese Dunninger mal außen vor gelassen: Das, was übrig blieb, war durchweg positiv.
Luxsure 0,6x Weitwinkel-/Makroobjektiv
Das Ding hat, wie viele China-Gadgets, einen verrückt langen Produktnamen mit vielen „Powerwords“: „Professionelles“, „Objektiv“, „angklemmbar“, „iPhone X“, „Samsung“, „Huawei“ … ach, Ihr versteht schon. Damit auch die Doofen verstehen, dass das mit ihrem iPhone 10 … Moment … X? Kennischnet! Mussischfragen! :-(
Ich nenne es einfach „Luxsure Weitwinkelobjektiv“. Warum ich das Makro unterschlage? Dazu später mehr.
Erfreulich ist die „Verpackung“. Ein Softcase mit Reisverschluss und im Inneren für das Objekt passend ausgeschnittener Schaumstoffinlay. Dazu noch ein Netz im Deckel für die „Anleitung“ und die Objektivdeckel.
Das Objektiv sieht wirklich hochwertig vergütet aus. Das Produktfoto lügt nicht!
Auf dem Softcase steht zwar „Lieqi“, aber das ignorieren wir mal. Die Anleitung ist auch wieder absolut typisch für China-Ware: Wertig, bunt, aber ein Zettel im Prinzip.
Nichts wird näher erklärt, außer für die o. a. Zielgruppe, die sich fragt, wo denn das Makroobjektiv sein könnte. Das wird sogar zweimal erklärt. :-D
Dabei steht es dick auf dem Objektiv selbst! Außerdem sind diese Linsen-Kombinationen technisch bedingt alle gleich.
Tja, „4K“ klingt „professionell“. Ein Handy ist keine Blackmagic-Kamera und so ist die Linse für Handy-4K absolut ausreichend.
Negativ. Die Kappe, die die Rückseite des Weitwinkels schützen soll, wenn es vom Makro abgeschraubt ist, sitz nicht fest und fällt sofort wieder ab. Geschenkt. Weil das Makro echt übel ist:
Makrolinse
Ich kürze mal ab: Wozu das Makroobjektiv gut ist…? Ich habe es nicht hinbekommen, damit ein brauchbares Bild zu machen. Die Schärfe ist nur einigermaßen gegeben, wenn man die Kamera absolut parallel zu einem flachen Objekt ausrichtet und extrem nah herangeht.
Dann kommt aber kaum noch Licht an das Objekt. Fotografiert man ein normales Motiv, wird nur das Objekt in der Mitte des Bildes scharf. Chromatische Aberrationen? Aber hallo! Seht selbst!
Der Sinn diese Makrolinse erschließt sich mir einfach nicht.
Weitwinkel
Ja, es gibt Unschärfen an den Rändern. Aber diese fallen nur beim Vergrößern auf und der Bereich ist zudem erstaunlich klein. Klar, einige Bilder habe ich gemacht, als das Objektiv nicht mittig vor der Handylinse saß.
Positionierung
Das ist gar nicht so leicht, wenn man in der prallen Sonne versucht, das Objektiv auf dem Handy zu positionieren. Ich überlege, ob mich mir nicht einen Adapter entwerfe und ausdrucke, der die Linse zwangsweise zentriert.
Teure anamorphotische Linsen (Kino-Look) werden deswegen mit nicht minder teuren, nur für wenige Modelle verfügbaren, Handyhüllen befestigt. Ja, auch Profis filmen mit Handys, kein Spaß.
Vor zehn mehr als zehn Jahren verdrängten bereits die DSLR echte Fernsehkameras außerhalb der Studios. Heute bekommen diese bereits Konkurrenz von Bridge-Kameras – und eben Handys!
Wenn man keinen Zoom in der Videoproduktion benötigt, erzielt man damit Ergebnisse, die nur Profis von „echten“ Kameras unterscheiden können.
Wie dem auch sei, hier die Bilder, zuerst ohne, dann mit Weitwinkelobjektiv.
Die Kamera des alten Redmi Note 5 ist eine Samsung S5K2L7 mit 12 Megapixeln, einer Brennweite von 3,9 mm (KB 24 mm) und einer Blende von f/1.9. Das nur zur Info. Das Note 5 war ein Untere-Mittelklasse-Handy.
Der Autofokus hat weder beim Fotografieren noch beim Filmen Probleme jeglicher Art gehabt.
Verzeichnung
Im Freien fällt die Verzeichnung nicht auf, aber im Innenraum schon. Dabei sind wir noch deutlich von einer Actioncam entfernt, würde ich behaupten.
Die Bilder habe ich in einem Wohnwagen gemacht. Das ist ein Innenraum, der immer schwer zu fotografieren ist, wie Ihr an diesen Bildern sehen könnt, die mit einer DSLR gemacht wurden.
Zuerst habe ich das weitwinklige Bild, dann habe ich die Linse abgenommen und noch ein Bild gemacht. So war die Aufnahmeposition exakt gleich.
Persönlich empfinde ich den Blickwinkel mit dem Weitwinkel als deutlich natürlicher, dem menschlichen Sehempfinden näher, ohne dass man gleich denkt: „Oh wow! Ein Fisheye-Objektiv!“.
Aber gut, es ist eine deutliche Kissenverzerrung wahrnehmbar. Einen Tod muss man eben sterben.
Ja, natürlich sagen nun Fotografen, dass alles unterhalb 50 mm ein Weitwinkel ist und bereits die 24 mm des Handys ein mehr als deutlicher Weitwinkel ist und damit unnatürlich aussieht.
In Zeiten von Actioncam-Aufnahmen verschieben sich aber vermutlich die Wahrnehmungen.
Lichtempfindlichkeit
Im Tageslicht kein Thema. Die Lampe im Wohnwagen ist so eine RGB-W-LED-Leuchte mit einer 2700K-Funktion, die so hell ist, dass die Brenndauer auf 120 Minuten begrenzt ist. Leider weiß ich nicht, wie viel Lumen diese Lampe emittiert.
Schalte ich die Lampen aus, wird es schwierig. Die Kamera fängt heftig an zu rauschen und mit der Aufsatzlinse wird das Ganze noch schlimmer. Hier leide die Schärfe noch einmal um Größenordnungen.
Allerdings sind die Bilder im Dunkeln absolut unnatürlich. Die rote Ambientebeleuchtung ist nur ein schwaches Glimmen, eine reine Hintergrundbeleuchtung.
Im Nahbereich kann die Linse auch punkten.
Fazit
Für nicht einmal 22 Euro kann ich nicht meckern und habe meine Videofilm-Fähigkeiten – gerade im Innenbereich – enorm erweitert, ohne dass ein übertriebener Fisheye-Effekt auftreten würde.
Die Brennweite verkleinert sich nur von 3,9 nm auf 2,34. Umgerechnet auf Kleinbildformat entspricht das eine Reduzierung von 24 auf 14,4 mm. Gut, damit bin ich nun deutlich unter der kleinsten (KB-) Brennweite von 18 mm eines üblichen DSLR-Objektives. 18 mm waren mir in Innenräumen immer viel zu viel.
Mal schauen, ob ich das Objektiv auch mit einem Nachfolger meines Telefons benutzen werde. Die haben schließlich alle mindestens vier Kameras und eine mit Weitwinkel. Oft hört man aber über diese Sensoren nichts Gutes. Ich werde es sehen.