Wie seriös ist der Newstest?

Unter https://der-newstest.de/ kann man einen Medienkompetenztest durchfĂŒhren. Wie prĂ€zise und seriös ist dieser aber aus meiner Sicht?

Stiftung Neue Verantwortung

Freunde, auch fĂŒr so eine Umfrage einen Test benötigt man Medienkompetenz.

SNV? Sorry, nie gehört!

BTW: Ich wĂŒrde einer Organisation niemals den Namen „Stiftung Neue Verantwortung“ geben. Mir wĂ€re die sprachliche NĂ€he zum INSM (Institut Neue Soziale Marktwirtschaft) viel zu groß.
„Neu“ steht viel zu oft fĂŒr das letzte AufbĂ€umen der neuen BĂŒrgerlichkeit vor den unausweichlichen geopolitischen und klimatischen VerĂ€nderungen der Welt.

Viele, wenn nicht alle Institutionen, die ein „Neu“ im Namen tragen, haben als Ziel die Schaffung eines Netzwerkes der „neuen“ konservativen FunktionstrĂ€gerelite und deren Nachwuchsförderung. (siehe Michael Wilk)((Auch wenn ich in sehr vielen Punkten nicht seiner Menung bin, so ist er eine der wenigen guten Quellen, die ĂŒber diesen Themenbereich geschrieben haben))
Ebenso ist „neue BĂŒrgerlichkeit“ doch nur ein Synonym fĂŒr „neoliberal“.

Bei mir gingen alle Alarmsirenen an!

Also schaue ich mir zuvor die Informationen zum „Test“ und das Impressum der Seite an. Es bleiben noch Zweifel, also wird Tante Google befragt.

Das erweist sich als eine Suche, die durch nichtssagenden Pressemitteilungen erschwert wird.

Ohne im Detail recherchiert zu haben:

Fachkompetenz

Das ist immer so eine Sache mit der Fachkompetenz. Ich habe viele Leiter in den IT-Abteilungen kennengelernt, die von aktueller IT keine Ahnung hatten.
Also… nichts.
Null.
Muss man auch nicht haben, man muss nur Leute beschĂ€ftigen, die sich mit dem neumodischen Scheiß auskennen und denen dann möglichst wenig hineinreden.

Auch bei der Stiftung sehe ich weniger Informatiker als einen Politikwissenschaftler und eine Kulturwirtin im Vorstand.

Weiter unten sieht es aber sicher besser aus!
Wow, was ne Masse an Mitarbeitern.
HĂ€tte ich nicht erwartet.
Die werde ich nun nicht alle stalken. Solche Nummern ĂŒberlasse ich meinem kleinen Bruder.

Ach komm, ein flĂŒchtiger Blick auf die Liste kann nicht schaden!

Ja, da sind auch einige FES-Stipendiaten mit von der Partie.
FES!
Die arbeiten doch nicht bei so einer neoliberalen Stiftung?!

Ähm, warum genau nicht?
Darf ich an Gerhard Schröder erinnern? Der Genosse war so dunkelrot, dass er schon schwarz war. Schwarz-Gelb.

AuffĂ€llig an der Mitarbeiterseite ist nur, dass bei einigen vergessen wurde, ein koloriertes Bild einzufĂŒgen.
Koloriert?
Ja, definitiv sehen einige Bilder aus, als wÀren sie nachtrÀglich koloriert worden. :-O

Gut, der Webauftritt liegt in der Verantwortung der externen Agentur.
Trotzdem wÀre ein Gegentest nicht schlecht, denn auch dort arbeiten nur Menschen.

Aber wer bin ich, dessen Site im W3C-Validator Massen von Fehlern auswirft?
So wie die Site der Stiftung auch. 😉

TrÀger

Zwei der TrĂ€ger der SNV bereiten mir Bauchschmerzen: BDI und DOSB – diese Organisationen stehen ja nicht gerade fĂŒr Menschenfreundlichkeit und Transparenz, sondern fĂŒr knallharte GeschĂ€ftsinteressen.
Von den sonstigen privatwirtschaftlichen TrÀgern fange ich erst gar nicht an. Au weia!

BTW: Der BDI finanziert das IW und diese die INSM. *seufz*

Moment!
Auf der Transparenzseite der SNV sind zwar viele konservative und neoliberale Förderer wie die Bertelsmann Stiftung *seufz* angegeben, aber niemand aus der Wirtschaft!
Ja, stimmt.

Nun 
 Ich lese dort: „Finanzielle Mittel von Stiftungen, öffentlichen Institutionen & gemeinnĂŒtzigen Organisationen (2020)“
Nennt mich zynisch, aber Zuwendungen aus der Wirtschaft werden nicht erwÀhnt.

Na ja, vermutlich ist die sprachliche NĂ€he zur INSM doch gewollt.

Mein Verdacht scheint bestÀtigt!

Wie bitte?
Ja, nicht immer gilt, „Wessen Brot ich fress, dessen Lied ich sing!“, aber ein GeschmĂ€ckle bleibt, um im sprachlichen Bild zu bleiben.

NeutralitÀt

Dieser Thinktank wird folglich ebenso neutral sein, wie andere Stiftungen (KAS, FES, FNF, HBS, die unsĂ€gliche DES, oder besser im Kontext passend: die sdw). Wer ein Stipendiat (oder wie hier, ein unbezahlter(?) wissenschaftlicher Mitarbeiter), der SNV war, wird fortan einen definierten Stallgeruch tragen; dessen Karriere wird in gewisse Bahnen gelenkt. Mir ist aber unklar, ob die SNV immer noch diese einjĂ€hrigen 
 „Praktika“ anbietet.

Als Feigenblatt gibt es dann einige staatliche Institutionen (Bundeszentrale fĂŒr politische Bildung, zwei Landesmedienanstalten), die diese Umfrage diesen Test unterstĂŒtzen und ihr eine gewisse SeriositĂ€t verleihen.

Ziele

Beim Überfliegen der von der Stiftung bearbeiteten Themenbereiche wie Cybersicherheit, KI, digitale Grundrechte, Datenschutz, etc., pp. geht einem das Herz auf.
Und direkt wieder zu!

Wenn ich das korrekt verstehe, ist die SNV nicht die Caritas (wobei auch die Caritas schon lange nicht mehr die Caritas ist), sondern vertritt nur die Interessen der Industrie, nicht die der BĂŒrger.
Der BĂŒrger ist nur eine Ressource, die sich zudem noch selbst finanziert,

Wow! Habe ich eben wirklich das Perpetuum Mobile des digitalen Kapitalismus entdeckt?
Nein, das entdeckte die SNV bereits vor mir. 😀

Sei es drum, ich habe den Test trotzdem – aus reiner hobbymĂ€ĂŸiger Neugier – durchgefĂŒhrt.
Viel Spaß mit meinen Daten. Im Logfile des Webservers bin ich ja eindeutig auszumachen, da braucht es nicht einmal eines Fingerprints.

Aufmachung / Zielgruppe

Auf einem 29″Monitor schreckt man unwillkĂŒrlich zurĂŒck, wenn man die Site öffnet. Sie wurde augenscheinlich fĂŒr Handy-Benutzer und/oder Senioren mit SehschwĂ€che erstellt. Meine GĂŒte! GrĂ¶ĂŸer geht es kaum!
Trotzdem ist der Text in den Beispielbildern teilweise etwas zu klein geraten.

Um das einzuordnen: Ich habe die 4K-UHD-Auflösung des Monitors auf WSUXGA (2.560×1.440) geĂ€ndert, weil mir die Schrift zu klein war. Folglich mag ich die Schrift bereits etwas grĂ¶ĂŸer.

Das gesamte Erscheinungsbild ist unausgewogen mit vielen weißen FreiflĂ€chen. Auch das deutet auf ein Design fĂŒr MobilgerĂ€te hin. Ich rate wĂŒst: Die arbeitende Bevölkerung wird damit tendenziell weniger angesprochen, eher Jugendliche und Boomer.
Vermutlich ist es aber noch einfacher: Die Umfrage soll in sozialen Medien geteilt werden. Dort ist die Nutzung mit Handys wohl am verbreitetsten.

Desktop-Nutzer sollten sich folglich auf lange Mauswege einstellen. 😀

Mein Test

Mann, was fĂŒr ein grob gerasterter Test ist denn das bitte?
Zur Krönung werden auch noch falsche Tipps gegeben?

Ich erlebe es auch bei kommerziellen Umfragen immer wieder (die ich als Hobby-DatenschĂŒtzer gerne durchfĂŒhre), dass die Fragen unprĂ€zise gestellt werden. So auch hier.

Ich nehme mein nicht perfektes Ergebnis durchaus persönlich, denn ich suche Fehler (hoffentlich) immer zuerst bei mir und will am Ende auch etwas lernen.
Ohne im Detail den gesamten Test zu sezieren; meine „Fehler“ waren diese:

Falschinformation

fakenews erkennen

Man soll alle Merkmale markieren – im Gegensatz zur Frage zum Social-Media-Beitrag! Ich benötige nicht den Hinweis von Correctiv, mir reichte persönlich schon, dass der Beitrag von „Politaia“ war. Da muss ich doch nicht weiter nach Indizien suchen. RudimentĂ€re Kenntnisse sollte man schon haben. „Warum hast du das Bild in den Ordner Falschinformation geschoben? WĂ€hle den Teil des Bilds aus, der fĂŒr deine Entscheidung am wichtigsten war.“ – es wurde nicht nach allen Teilen gefragt. *seufz*
Absicht?
UnfÀhigkeit?
Ich weiss es nicht.

VerlÀssliche Nachricht

fakenews erkennen: Zeitraum
Studiendetails im Teaser? Wohl kaum.

Man sollte nicht ein konkretes Beispiel geben, in dem ein Zeitraum („wĂ€hrend der Corona-Krise“, also 01/2020 bis heute), zwar nicht prĂ€zise, aber immerhin verstĂ€ndlich – in einem Teaser! – angegeben wurde, wenn man ganz allgemein nur wissen möchte, ob der werte Leser einen Zeitraum als relevanten Indikator ansieht.
Die genauen Zahlen“ fehlen, fĂŒr mich heißt das: „eine Quelle“ – und die kann man schon in einem Teaser erwarten.
Der Zeitraum fehlt“ – sehe ich anders.

Gut, ĂŒber „Welche Informationen fehlen fĂŒr eine verlĂ€ssliche Nachricht?“ kann man streiten.
Richtig: jetzt beschwere ich mich ĂŒber die prĂ€zise Formulierung. *seufz*

Der Zeitraum ist wichtig – wie prĂ€zise er angegeben wurde, ist sicher ein Streitpunkt.
Überhaupt vom Teaser auf den Nachrichteninhalt und dessen QualitĂ€t zu schließen wird in Zeiten von immer subtiler werdenden Clickbait schwieriger.
Zudem erwarte ich in einem Teaser nur einen Überblick, keine prĂ€zisen Daten. *seufz*

Waaas? Clickbait ist doch nur bei unseriösen Medien zu finden!
LOL! Dann benutze mal die App der Tagesschau. Klar, kommt nicht oft vor, aber es kommt dort vor!

Nochmal der Fake-News-Hinweis

Im Prinzip dieselbe Nummer wie bei meinem ersten Kritikpunkt. RT ist ein Staatssender, die Wikipedia ist keine PrimÀrquelle. Sie ist nicht einmal verlÀsslich, weil dort jeder mitschrieben darf und nicht jede Propaganda oder Falschinformation verlÀsslich durch die Community erkannt und entfernt wird.
Zudem wird dieser Hinweis zu den Kanalinhabern manuell von YouTube-Mitarbeitern zu dessen Kanalinformation hinzugefĂŒgt, das ist kein Automatismus.

Bereitet eigentlich nur mir diese Antwort-Auswahl Kopfschmerzen? Die klingen wie die Antworten auf die 50-Euro-Einstiegsfrage in einem schlechten Quiz.

Welche „Plattform“?

Okay, mein Fehler!
Genauer gesagt ging ich davon aus, dass es um ein YT-Video ging, das auf WhatsApp geteilt wurde.

Ernste Frage: Wie kann ich bitte bei Whats „auf der Plattform“ etwas kommentieren?
Was soll die „Plattform“ sein?
Eine Gruppe?
Hat WhatsApp einen öffentlichen, unverschlĂŒsselten Bereich?
Ich denke nicht, oder?

Ganze Videos zu teilen halte ich eher fĂŒr unĂŒblich. Hardcore-Schwurbler, die so was machen, verorte ich eher auf Telegram.

Je mehr ich darĂŒber nachdenke, desto weniger verstehe ich die Frage.

Außerdem ist die Frage im Prinzip doppelt, denn davor wurde bereits nach meinem Verhalten beim Teilen einer Falschinformation durch einen Artikel gefragt.
Statt „alle Freunde ĂŒber die Fehlinformation zu benachrichtigen“ wird hier diffus von einer „Plattform“ gesprochen.

Ganz generell:
Man fĂŒttert nicht den Algorithmus auf YouTube oder anderen sozialen Netzwerken, indem man unter Falschinformationen kommentiert. Das ist falsch verstandene Zivilcourage!

Der Kommentar landet sowieso ganz unten, wo ihn niemand sieht und durch Likes nach oben schieben kann. Auch Schwurbler-Kommentare zu kommentieren bringt nichts, das gefördert diesen Kommentar nur weiter nach oben. Der Leser muss aktiv die Antworten ausklappen.

Nach bisherigen Vermutungen der Creator-Community sieht YouTube zudem Dislikes nicht als negatives Merkmal eines Videos an, sondern nimmt dies als Indikator, dass dieses Video von einem (wie auch immer gearteten) Interesse ist. So wird es sogar noch mehr Menschen vorgeschlagen. Diese Inhalte halten die User weiter auf der Plattform. Nur das zĂ€hlt fĂŒr Alphabet. Melden und gut ist.

Gleiches gilt fĂŒr alle sozialen Medien, die die Nutzer am liebsten in einem „walled Garden“ halten wollen. YouTube hat z. B. schon immer Probleme mit externen Links und schaltet Kommentare, die Links beinhalten, in der Regel nicht frei.

Persönliches Fazit

Gut gemeint ist nicht gut gemacht.
Zumindest nicht im Detail.

Streckenweise sind die Fragen sprachlich unprÀzise und missverstÀndlich formuliert worden. Aber ich bin auch nicht die Zielgruppe des Tests.

Ich schĂ€tze, dass die gewĂŒnschte Zielgruppe diesen Test auch nicht absolviert. Wer so tief in seiner eigenen Fake-News-Blase steckt, wird von ihm schlicht nicht erreicht.
Das ist ja der Sinn solcher Blasen.

Der Zweck der Umfrage ist nicht humanitÀr, nicht einmal wissenschaftlich, sondern schlicht kommerziell. Die Auswertung wird vor allem der Industrie bei der Optimierung der Unternehmenskommunikation zugutekommen.

        Lesetipp: mein Artikel „Ein Tag im Leben eines Überwachten“.

Niemand wird durch diesen Test zum Umdenken bewegt. Diese Personen werden ihn als von der „NWO“ und der „Bundesrepublik Deutschland GmbH“ gesteuert ansehen.

Vielleicht kann man einige SchĂŒler erreichen, aber bei der IT-Kompetenz unserer Schulen und vor allem der meisten Lehrer, kann man das leider wohl ausschließen.

Misanthrop

Ja, sorry, ich bin ein sarkastischer Misanthrop, der selten jemanden hehre Absichten unterstellt, keine Frage.

Ob ich noch mit Schwurblern, ReichsbĂŒrgern, Nazis, „Heilöl“-SĂ€ufern oder Impfgegnern diskutiere?
Nein, es fĂŒhrt zu nichts.

Das habe ich bis zur ErmĂŒdung versucht. Diese kleinen, aber lauten Minderheiten in unserer Gesellschaft sind verloren. Sie wollen nur gegen alles und etwas Besonderes sein. Wenn man sich nicht durch Bildung oder Geld von der Masse abheben kann – was mit Anstrengungen verbunden ist – dann eben durch leicht erwerbbares „Geheimwissen“.

NatĂŒrlich ist mir klar, dass das nur Symptome einer Informations-Gesellschaft sind, das Pendel der AufklĂ€rung auch irgendwann einmal zurĂŒckschwingen musste, und diese Menschen nur einfache Antworten auf eine komplexe Welt suchen.
Ja, die sozialen Medien haben einen weltweiten Stammtisch geschaffen, an dem die Leute „endlich mal das sagen dĂŒrfen“ … ja, was denn? Das, was „verboten“ ist?
FĂŒr diese Leute ist schon ein Widerspruch ein Verbot.
Das Problem ist eher tiefenpsychologischer Natur.

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