Nach Hause im E-Auto

Diesmal bin ich vorbereitet! Diesmal klappt die Fahrt mit dem E-Auto (Leichtelektromobil / LEM). Dachte ich zumindest!

Nach Teil 1 und Teil 2 geht es jetzt weiter.

Genesung

Wie ich im letzten Teil schrieb, erwischte mich Twizys Rache. Es wurde nicht besser, also rief ich in der Rathaus-Apotheke in Kahl am Main an und ließ mich beraten. Das sei vermutlich ein Virus. Durch die Masken und AbstĂ€nde wĂ€hrend der Corona-Pandemie wĂ€ren unsere Immunsysteme nicht mehr auf zack, meinte die freundliche Mitarbeiterin. Kann gut sein. Ich war seit vier Jahren nicht mehr krank – und jetzt das! EntwĂŒrdigend!

Sie wĂŒrden versuchen die Medikamente noch im Laufe des Vormittages zu liefern. Keine fĂŒnfzehn Minuten spĂ€ter klingelte das Handy: Sie wĂŒrde nun losfahren. Keine fĂŒnf Minuten spĂ€ter ĂŒberreichte sie mir mit einem LĂ€cheln die TĂŒte und meinte „Das ist ja ein Notfall!“. Nun war es offiziell! Ich litt unter einer MĂ€nnergrippe!

Wie dem auch sei, die Medikamente schlugen schnell an.
Packen, MĂŒll wegbringen, duschen, Adapter am Empfang holen, fahren.
Auto lÀdt noch. Hat 4 % in zwei Tagen verloren.
KĂ€lte?
Defekt?
Egal, denn sie ist ja gemietet, die Batterie.

Die FĂ€hre

Auch auf dem RĂŒckweg wollte ich ĂŒber die FĂ€hre in Seligenstadt fahren. Das spart wirklich fast 14 Kilometer. Insgesamt muss ich 50,4 Kilometer fahren. ZuzĂŒglich des kleinen Umweges zur Ladestation von zwei Kilometern.

WĂ€re die Strecke zwischen Seligenstadt und Mainhausen nicht gesperrt gewesen, so mĂŒsste ich nur 48,8 Kilometer zurĂŒcklegen.

Seligenstadt von Bayern aus gesehen.

58 Kilometer Restreichweite! Das kann ich an einem StĂŒck schaffen! Ich bin frohgemut!

Auch auf der FÀhre bin ich noch guter Dinge, aber bereits auf der Fahrt nach Babenhausen zeigt sich, dass ich in der RealitÀt doch fast wieder Höchstgeschwindigkeit fahren muss.
Die hÀngenden Bremsen hören sich nicht nur nervig an, nein, sie reduzieren auch die Reichweite gewaltig, wie ich noch merken sollte.

Dieburg

Dieburg liegt genau auf der HĂ€lfte der neuen Strecke. Von dort aus sind es noch 24,9 Kilometer nach Hause.

Die Restreichweite betrĂ€gt noch 26 Kilometer. Theoretisch könnte das klappen, wenn das Streckenprofil sich nicht Ă€ndern wĂŒrde. Aber es wird beriger werden, was BatteriekapazitĂ€t frisst.
Zudem möchte ich wirklich nicht ausprobieren, ob die Restanzeige stimmen könnte.

Ein Kilometer als Reserve? Da fĂ€hrt der Twizy doch sicher schon im Energiesparmodus und die Rentner auf den E-Bikes ĂŒberholen mich laut schimpfend!

Verarscht!

Ich treffe an der LadesÀule ein, die in einer Baustelle auf einer Shell-Station versteckt ist.
WTF? Das ist der New Motion Lader? Wie konnte das passieren?

Zu allem Überfluss hat dieses Ding auch nur Kabel, keine Buchsen.

Und wĂ€re das alles nicht bereits genug, kommt auch noch der Tankwart winkend auf mich zu: „Die SĂ€ule ist defekt! Hier ist alles eine Bausstelle!

Schon auf langsamen Fahrt, auf der ich um den Block herum diese SÀule suchte (Google war wenig prÀzise), bemerkte ich, dass es sich bei dieser Ecke Dieburgs nicht um die erste Adresse handeln konnte.
War das ein Hersteller fĂŒr Sex-Spielzeuge und aufblasbare Gummipuppen? Und dort ein Porno-Kino neben dem Burger King?

Der Weg ist das Ziel

Ich entschied genug von Dieburg gesehen zu haben.
Google sollte einfach die nÀchsten Lader auf der Strecke anzeigen.

Da ich die Nase voll vom „Marken“-Ladern hatte, wĂ€hlte ich in Roßdorf „Ladestation fĂŒr Elektrofahrzeuge“ aus und machte mich auf den Weg.
15 Minuten Fahrt und 9,2 Kilometer lagen vor mir.

Also bisher muss ich sagen, auch wenn der Twizy wirklich bretthart auf der Straße liegt und sich ein Gokart nicht fĂŒr lange Strecken eignet, so kam mir die bisherigen fĂŒnfzig Minuten ĂŒberhaupt nicht lang vor.

In der Zeit fahre ich mit einem Benziner oder dem Diesel die 85 Kilometer ĂŒber die Autobahn und bin bereits fast zu Hause.
Meistens viel zu schnell unterwegs.
Meistens genervt von den ganzen anderen Deppen, die ihre Bremsen dauernd wieder ausprobieren mĂŒssen – oder kein Zuhause haben.

Die nÀchsten 9,2 Kilometer waren flugs rum.
So langsam gewöhnt man sich an die geringe Reichweite.
Der Stress, den ich darĂŒber auf der ersten Fahrt noch verspĂŒrte, fehlt nun fast völlig.

Roßdorf sehen und laden

Aber auch in Roßdorf:
„Rechts abbiegen!“
Aber das ging nicht! Da war ein durchgehender Fußweg.
Dahinter lag aber das neue Discounter-Gebiet des Ortes.

Google ignoriert, zurĂŒck in den Kreisel und die erste Abfahrt raus, den anderen hinterher.
Da sah ich auch schon die Ladestation!

Endlich!
Ein Aldi-SĂŒd!
Kostenlos!


Kostet nix!


Anleitung ĂŒberfordert nicht.

Aber sagte nicht jemand im Twizy-Forum, dass man nicht mehr an Aldi-SĂŒd-Ladern laden könne, weil die eine höhere Abnahme als die 2 kW des Twizy erwarten wĂŒrden?
Ach, ich habe doch den neuen Adapter von Evalbo, der soll doch alles ganz automagisch machen. Ganz ohne den Stress der viel teureren Adapter mit deren zwei SchlĂŒsseln, die man mal so und mal so drehen muss.

Ich stecke also den Twizy in den Adapter und dann in den Lader.

GrĂŒn. Das bedeutet, der Anschluss ist frei.
Ob er laden wird?
Ich bin ganz entspannt.

Blau! Er lÀdt! Ich wusste es!

23 Prozent Restladung. Das wÀren noch 11 Kilometer Restreichweite.
Bis nach Hause sind es aber noch 18 Kilometer.

Einkaufen

Ich kaufe im Aldi ein.
Den Rucksack mit dem Notebook schnalle ich mit auf den RĂŒcken. Ohne die Scheiben kann ich das FliewatĂŒt nicht abschliessen. Doof.‘

Nicht schlecht, die HĂŒtte. Da kommt der fast neue Aldi in Seeheim-Jugenheim nicht dran. Nicht einmal im Ansatz.
Mit meinen EinkĂ€ufen kehre ich zurĂŒck zum Twizy. RĂ€ume alles in Ruhe ein, bringe den Einkaufswagen weg, setze mich auf den Fahrersitz und suckele an so einem Milch-FlĂ€schchen, dessen Inhalt gut fĂŒr die Darmflora sein soll. Twizys Rache wurde zwar besser, aber sicher ist sicher.

37 Prozent, 17 Kilometer
Nein, ich habe noch Zeit.

Zehn Minuten spÀter zeigt die Anzeige 44 % und 20 Kilometer Reichweite an.
Kann man machen, muss man aber nicht. Ich beschließe noch bis 50 % oder noch 12 Minuten zu laden.

Über den Messenger schreibe ich meinen Status mit Bildern nach Hause und zum Tom, der mir am Vortag das mit den Ladern erklĂ€rte und mit dem ich ĂŒber E-MobilitĂ€t diskutierte. Der will mir dauernd einen E-Smart andrehen. Den soll ich leasen. WĂŒrde soviel kosten, wie die Batteriemiete beim Twizy.
Aber dann benötige ich eine Vollkasko und irgendwelche LeasingvertrÀge und bei der Schufa habe ich dann so einen Vertrag an der Backe.
Ja, nein, ich will nicht.

Zu teuer!

Und siehe da, im Smart wÀre mir das nicht passiert: Wieder sprach mich jemand auf das Auto an. Ein Boomer der eher wortkargen Art:
„Was kostet denn so ein Auto?“
„Wie? Neu?“
„Ja.“
„So zwischen acht und zehntausend Euro!“
Gesichtsentgleisung beim GegenĂŒber!
„Zu teuer!“ – er rennt panisch weg.
Nur seine Frau bleibt noch stehen, der ich mitgebe, dass das Twizy dafĂŒr nur 50 Euro Versicherung im Jahr kostet und ca. 1,5 Liter auf 100 Kilometer benötigt.

Aber ja: Ein Twizy ist kein billiges Fahrzeug.
Vor allem nicht fĂŒr das Gebotene.

Ich wĂ€hle die Route ĂŒber Neutsch. Die ist kĂŒrzer und schöner.
Außerdem fahren da keine Nieder Beerbacher mit mir auf der gleichen Straße – das ist ein unbestreitbarer Sicherheitsvorteil. 🙂

Weiter geht es!

51 Prozent KapazitÀt, 20 Kilometer Restreichweite.

Ich fahre los.

In Ober Ramstadt fahre ich nicht nach MĂŒhltal, sondern auf der B426 nach SĂŒdosten, die deutliche Steigung hinauf.
Der Twizy kĂ€mpft gegen seine Bremsen und den Anstieg an. 60, 64, 68, 72…

Ein einziges Auto ĂŒberholt mich. Obwohl unsere Richtung zweispurig ist, bleiben die anderen Autos weit entfernt im RĂŒckspiegel zurĂŒck. Heute hat es kaum jemand eilig, wie es scheint.
Über die Kuppe geht es wieder hinab. Ich gehe vom Gas.
Die Anzeige zeigt mir, dass der Kleine rekuperiert, nur werde ich nicht langsamer.

Ich bin gezwungen zu bremsen, denn ich muss nun Richtung Modau.
Hört sich nicht gut an, die Bremsen sind fertig. Aber total!

Von Modau dort nach Neutsch und ĂŒber die Feldwege nach Hause.

Knappe Sache?

Auf der Hauptstraße zu Hause fĂ€llt der Balken auf 10 %, piepst warnend und als ich unsere Auffahrt hochfahre stehen noch 4 Kilometer Restreichweite im Display.

Hat doch gepasst! 🙂

Im Sommer wird die Reichweite sicherlich höher sein. Die hÀngenden Bremsen werde ich diese Woche noch reinigen und erneuern.
Außerdem wollte ich unbedingt den Luftdruck ĂŒberprĂŒfen.

Bisher bin ich jedenfalls zufrieden. Die lange Strecke entspricht nicht meinem ĂŒblichen Fahrprofil. Ich fahre in den Ort und dann zurĂŒck. Zum Bahnhof Bickenbach oder zum Baumarkt in Pfungstadt.
DafĂŒr ist der Kleine perfekt.

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