Commodore-64-Wetter

FĂŒr mich ist ein wolkenloser FrĂŒhlingshimmel bei strahlender Sonne kein Wetter um Spazieren zu gehen. Es ist ein Wetter, um am Computer zu sitzen. Aber warum ist das so?

So ein Wetter war auch vor 32 Jahren, als ich meinen C64 bekam. Ich versuche mich zu erinnern und das LebensgefĂŒhl in Worte zu fassen. Heute hat jeder einen Computer, ein Handy, eine Spielkonsole oder einen schlauen Backofen. Damals kamen die Computer in die Haushalte durch die Kinderzimmer. Aus heutiger Sicht ist es lĂ€cherlich, damals aber ungemein spannend.

Mein Commodore 64 kostete 1984 ohne weiteres Zubehör 698 DM, umgerechnet sind das 32 Jahre spÀter etwa 715 EUR. Die Datasette, Commodore 1530, die die Programme von normalen Compact Cassetten lesen (und schreiben) konnte, kostete 99 DM. Die Floppy, VC1541, die mein Bruder und ich zusammen (*sic*) im selben Jahr zu Weihnachten bekamen, kostete ebenfalls satte 698 EUR.

Wie meine Mutter uns solch teure Geschenke machen konnte, ist mir wirklich schleierhaft. NatĂŒrlich schossen meine Großmutter und andere Verwandte Geld fĂŒr den Kauf zu, keine Frage. Trotzdem war und ist das eine Menge Geld.

Ich wusste natĂŒrlich bereits lange vorher, dass ich einen Commodore 64 zum Geburtstag geschenkt bekommen wĂŒrde. Ich durfte ihn mir sogar ausnahmsweise vorher bereits ansehen. Meine Großmutter war Sammelbestellerin bei Quelle, daher lagerte der Rechner bei ihr. Da wir nach der Schule immer zu meiner Großmutter gingen, ĂŒberredete ich sie eines Nachmittags dazu, den C64 auspacken zu dĂŒrfen.  „Aber nur fĂŒnf Minuten!

Wow! Ein richtiger Computer! Ich lag in einem der Sessel in Omas Esszimmer, die FĂŒĂŸe auf einem der EsszimmerstĂŒhle, und schaute mir dieses Wunderwerk der Technik genau an. Ich hob ihn hoch ĂŒber meinen Kopf. Proffessionelles Design, kein Spielzeug. Matter, dicker Kunststoff, gute Verarbeitung. Beigefarbenes GehĂ€use, dunkelbraune Tasten. Zahllose AnschlĂŒsse. Edel glĂ€nzendes Typenschild aus Metall. Wow! Wow! Wow!

Und da stand schon meine Großmutter wieder im Zimmer und ich musste das gute StĂŒck in seinen Sarkophag aus Styropor legen und den Karton darĂŒber schieben. Aber zu meinem Geburtstag, so war es ausgemacht, durfte ich den Commodore 64 bereits ohne Beisein meiner Mutter auspacken. Ich schloss ihn im Wohnzimmer meiner Großmutter an den Fernseher an.

Hier also die schlechte Prosa, die mir dazu in den Sinn kommt. Eher eine Sammlung von Erinnerungen und GefĂŒhlsfetzen.

02.04.1984
Die Sonne scheint.

Weiches, klares Licht.
Sanfte, dunkle Schatten.
Blauer Himmel.

Wolkenlos.

Warm in der Sonne.
KĂŒhl im Schatten.

Die Verheißung eines tollen Sommers in der Luft.

Draußen ist es seltsam ungeschĂ€ftig.
Als wĂŒrde die Welt Luft holen.

Eigentlich mĂŒsste ich draußen sein.
Der neue C64 will aber erkundet werden.

Die Sonne scheint indirekt in das Zimmer.
Reflexionen der Fenster gegenĂŒber und der vorbeifahrenden Autos huschen ĂŒber die WĂ€nde oder bilden warme Lichthöfe.

Ich rieche noch das Deo, das ich ebenfalls zum Geburtstag bekam.
Glasflakon, klare FlĂŒssigkeit, frischer Duft.

Der C64 riecht nach neuer Elektronik.

Ein ganz eigener, sĂŒĂŸlich-bitterer Geruch.
Spannend.
Neu.

Das Portal in eine andere Welt.

Auf dem Fernseher erscheint der blaue Startbildschirm des C64.
Der Cursor blinkt verheißungsvoll, wartet auf meine Befehle.

Ich blÀttere in dem Buch mit den Listings.

Unentschlossen, denn die Datasette hat Lieferschwierigkeiten.
Keine Speichermöglichkeit.

Ich schaue auf den pinken Einband des Buches.
Leuchtend Pink
frisch
neu

Aufbruchsstimmung meiner Generation
Die 70er scheinen Äonen weit weg. Vergessen.

Ich suche mir ein Listing, das nur eine Seite lang geht.
Tippe es ein.

Syntax Error

Kontrolle des Programms
Gegenlesen mit meinem Bruder Mark.
Endlich lÀuft es.
Schon besseres gesehen.

Neustart

Das Handbuch gegriffen.
Alle Befehle ausprobiert.
Auf der nÀchsten Seite steht
FORTGESCHRITTENE PROGRAMMIERUNG

Selbstzweifel.

Das ist was fĂŒr Profis.
Handbuch zugeklappt.
Einfache Programmierung ausprobiert.
Grenzen erfahren.

In das nĂ€chste Kapitel gewagt.​_
Angst zu dumm dafĂŒr zu sein.
Das ist ja einfach!
Gemerkt, dass damit all das geht, was ich eben noch machen wollte.

Es klingelt an der TĂŒr.

Nauber oder Hellwicht?
Nauber.
Es geht in die Stadt.
Eisdiele.
FußgĂ€ngerzone.
Computerabteilungen.

Nauber ist ein C64-Pro-Gamer.

GesprĂ€che beim Eis ĂŒber die neuen Spiele.
Seine Datasette kam auch spÀter.
Ich kann es kaum erwarten.

Sammele schon Kassetten mit Programmen.
Die hat der Kleinschmidt besorgt.
Unser Dealer.

Der hat alles und ist ein Cracker.

Hat uns an der Nadel.
Nimmt von uns kein Geld.
Kumpel vom Nauber.

Habe Datasetten im Bauch.
Hoffentlich kommt das Laufwerk bald.

Über den Autor

Hessi

Michael "Hessi" Heßburg ist ein erfahrener Technik-Enthusiast und ehemaliger Informatiker. Seine Website, die er seit ĂŒber 25 Jahren betreibt, deckt vielfĂ€ltige Themen ab, darunter Haus & Garten, Hausrenovierung, IT, 3D-Druck, Retrocomputing und Autoreparatur. Zudem behandelt er gesellschaftspolitische Themen wie Datenschutz und Überwachung. Hessi ist seit 20 Jahren freiberuflicher Autor und bietet in seinem Blog fundierte Einblicke und praktische Tipps. Seine BeitrĂ€ge sind sorgfĂ€ltig recherchiert und leicht verstĂ€ndlich, um Leser bei ihren Projekten zu unterstĂŒtzen.

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