Es gibt tatsächlich Kunststoff, der hygroskopisch ist. TPU zum Beispiel. Ich hatte keine Lust auf Bastellösungen mit Ikea-Kisten und bestellte einfach ein Set, mit dem ich Filament vakuumieren kann.
Welche Filamente sind hygroskopisch?
„Hygrowas? Immer diese Fremdwörter!“. Okay, kein Ding:
Hygroskopisch ist ein Begriff, der verwendet wird, um Materialien zu beschreiben, die die Fähigkeit haben, Feuchtigkeit aus der Umgebungsluft aufzunehmen. Salz ist ein hygroskopischen Material, das jeder aus dem Haushalt kennt. Wasser wird in Form von Dampf oder Feuchtigkeit aufgenommen.
Besser?
PVA ist ein Filament, das sehr viel Feuchtigkeit aufnehmen kann. Es kann bis zu 10 % seines Gewichts an Feuchtigkeit halten. Auch TPU zeigt eine hohe Feuchtigkeitsaufnahme von bis zu 5 % seines Gewichts auf.
Nylon, PETG und ASA sidn ebenfalls hygroskopisch, jedoch geringer als PVA oder TPU. Holzfilamente sind teilweise hygroskopisch, je nachdem wie viel Holzfasern sie enthalten. Die geringste hygroskopische Wirkung hat PC in dieser Liste.
1 – PVA (Polyvinylalkohol)
PVA ist ein wasserlösliches(!) Filament, das häufig als leicht abwaschbares Stützmaterial für den Dual-Extrusion-3D-Druck verwendet wird. PVA ist biologisch abbaubar. Es sollte wirklich richtig trocken aufbewahrt werden!
2 – TPU (thermoplastisches Polyurethan)
Flexibel, elastisch und zäh. Besitzt eine hervorragende Layerhaftung, aber leider ist TPU-Filament hygroskopisch.
3 – Nylon (Polyamid, PA)
Nylon-Filament ist für seine Festigkeit, Zähigkeit und Langlebigkeit bekannt. Es wird häufig für mechanische Teile, Verschleißteile, Werkzeuge, Prototypen und Ähnliches verwendet. Nylon ist ein … nein … das typisch hygroskopisches Filament.
4 – PET, PETG, PETT (Polyethylenterephthalat )
PETG bietet hohe Festigkeit und eine gute Witterungsbeständigkeit, allerdings ist es ebenfalls hygroskopisch und sollte trocken gelagert werden.
5 – ASA (Acrylnitril-Styrol-Acrylat)
ASA ist ein Filamentmaterial mit ähnlichen Eigenschaften wie ABS, jedoch mit verbesserter UV- und Witterungsbeständigkeit. Beispielsweise für Drucke, die in Kraftfahrzeugen verwendet werden sollen. Es ist ebenfalls hygroskopisch.
6 – Polycarbonat (PC)
Polycarbonat-Filament ist für seine hohe Festigkeit und Temperaturbeständigkeit bekannt. Es ist aber ebenfalls ein hygroskopisches Filament.
7 – Holzfilamente
Filamente, die Holzpartikel enthalten, beispielsweise Holz-PLA, können ebenfalls hygroskopisch sein. Die enthaltenen Holzfasern können Feuchtigkeit aufnehmen, was das Filament spröde macht.
Symptome, die auf feuchtes Filament hinweisen
Anzeichen dafür, dass das Filament Wasser aufgenommen hat:
Knistern
Knisternde Geräusche während des Druckvorgangs, die durch die Verdunstung von Feuchtigkeit im Filament verursacht werden, sind ein Anzeichen für Dampfblasenbildung.
Dampfblasen
Wenn das feuchte Filament erhitzt wird, kann dies zu Blasen oder Unregelmäßigkeiten in den gedruckten Schichten und Oberflächen führen. Kommt immer auf das Modell an, ob man diese auch bemerkt.
Schlechte Layerhaftung
Feuchtes Filament kann zu einer schlechten Schichthaftung und damit zu einem instabilen Bauteil führen. Gerade bei Funktionsteilen ist das fatal.
Teure Lösung
Maker von Welt greifen selbstverständlich zu einem der vielen Filamenttrockner oder einem Dörrautomaten. Dann fliegt da wieder ein Gerät im Haushalt herum, das etwas ersetzt, das man ohnehin hat: einen Backofen.
Berechtigte Ausnahmen
Es gibt natürlich für sehr feuchteempfindliches Material einen sinnvollen Einsatz dieser Box während des Druckens. Von Eryone und anderen Herstellern gibt es Trocknerboxen mit einem Auslass, an den man einen PTFE-Schlauch anschließen kann.
Diesen führt man dann bis zum Filamentsensor oder dem Extruder. Bessere Drucker haben direkt einen Anschluss für den Schlauch integriert, aber es gibt auch Schlauchsets mit Anschlussstücken.
Alternativen
Was, wenn der Backofen in Beschlag genommen ist, oder die Familienmitglieder es gesundheitlich bedenklich finden, wenn man Kunststoff im Backofen trocknet?
Wie erwähnt, ist der gute alte Dörrautomat eine gute Alternative zu den teuren Trockenboxen und dem Backofen. Sehr beliebt sind in Maker-Kreise die (runden) Dörrautomaten von Ambiano (Aldi) und Silvercrest (Lidl). Für diese Geräte gibt es auf Thingiverse sehr viele Modifikationen (Ambiano und Silvercrest), die man selbst ausdrucken kann.
Zur Temperatur- und Erfolgskontrolle gibt es die beliebten Thermo-/Hygrometer von Bresser. Im Display grinst einen auch noch ein Smilie an. Schaut er traurig, ist das Filament langsam trocken. :-) Sehr sympathisch.
Meine Lösung
Trocknen
Natürlich ist es sinnlos, feuchtes Filament zu vakuumieren. Selbst mit einem ganzen Haufen Silicagel-Beuteln nicht, denn das ist viel zu schwach hygroskopisch, um ernsthaft Feuchtigkeit aus dem Filament zu ziehen.
Ich trockne das Filament im Backofen bei Umluft („Circotherm“) bei 50 bis 70 Grad, je nach Filament. PLA bei 50 bis 60 Grad, TPU und PETG bei 70 Grad. Mehr als 70 Grad sollte es nicht sein, sonst hat man am Ende einen großen bunten Plastikklotz im Ofen.
„PLA ist doch nicht hygroskopisch!“ Ja, aber nach ein paar Jahren wird PLA durch Alterung und (sehr geringe) Feuchtigkeitsaufnahme spröde. So ein „Saunagang“ frischt auch PLA wieder auf.
Im Backofen den Rost auf die unterste Schiene schieben, die Filamentrollen darauf stapeln, die Backofentür schließen, aber z.B. einen Kochlöffel in die Tür klemmen, damit die Feuchtigkeit entweichen kann.
Das Ganze einige Stunden backen. Danach werden die Filamentrollen vakuumiert.
Vakuumieren
Auf Amazon gibt es ein Vakuumier-Set von eSun mit 10 Beuteln, etwas Kleinkram, aber auch einer USB-Vakuumpumpe. Ich wollte nicht so eine schwindelige Handpumpe, mit der man sich doch nur müde macht.
Es gibt auch das Set mit manueller Pumpe, aber das ist mit 17 EUR rund einen (!) Euro billiger. Das ist sinnfrei,
Ich schob also dem großen A knapp 18 Euronen über den virtuellen Tresen und die warfen mir dafür ein Päckchen in den Briefkasten.
Uiii1 Ein Pro-Kit für den Pro-Drucker. Wahnsinn!
Aber was ist drin?
- 10 Vakuumbeutel
- 10 Ersatzaufklebeventile
- 10 Silicagel-Beutel
- 2 Anpressklammern
- 1 USB-Vakuumpumpe
In den kleinen blauen Beuteln sind kleine poröse Körnchen aus Silicagel, einem synthetischen Silikatmineral. Silicagel hat eine hohe Aufnahmekapazität für Wasserdampf, ohne selbst flüssig zu werden, wie man es von den typischen Raumentfeuchtern her kennt. Es gilt als nicht giftig.
„Aber Hessi, es gibt doch die Beutel auch als „Original“ für Lebensmittel! Und es gibt auch die Beutel für Kleider, die man mit einem handelsüblichen Staubsauger leeren kann!“ – Ja, sicher, aber die Lebensmittelbeutel sind nicht billiger, die kosten dasselbe und meistens sind im Set auch verschiedene Größen, von denen wir aber nur eine benötigen.
Die Beutel für den Staubsauger haben den Absaugstutzen meistens an einer Stelle, die ungünstig liegt, wenn man Filament vakuumieren möchte. Und jedesmal den Staubsauger herumschleppen wollte ich auch nicht.
Und natürlich noch die Pumpe. Bei dieser fehlt ein Netzteil, aber das sollte jeder zu Hause haben.
Kompressionsbeutel
Ja, die Beutel kennen wir bereits. Es gibt sie für Lebensmittel oder für Kleidung, die platzsparend und trocken aufbewahrt werden soll.
Eine Seite der Beutel ist innen geriffelt, das sind Luftkanäle, damit die Luft abgesaugt werden kann.
Wir stecken die Rolle mit dem getrockneten Filament in einen der Beutel. Die glatte Seite kommt nach oben.
Und werfen noch einen Beutel Silicagel hinterher.
Der Beutel wird verschlossen. Entweder drücken wir die beiden Verschlussleisten mit den Fingern oder einem der beiliegenden Anpressklammern zusammen.
Nun pumpen wir die Luft aus dem Beutel. Dafür legen wir den Beutel auf eine ebene Oberfläche und halten die Pumpe mittelfest auf das blaue Ventil. Drücken wir zu stark, kommt keine Luft raus, drücken wir zu schwach, zieht die Pumpe Nebenluft.
Oben auf der Pumpe ist ein Schalter, den betätigen wir und die Luft wird aus dem Beutel gesaugt.
Nach ca. dreißig Sekunden sehen wir einen Erfolg. Es knistert, der Beutel zieht sich um die Rolle und wenn wir jetzt nicht aufpassen, verbiegen wir die Rolle zu stark. Die Pumpe scheint sich nicht automatisch auszuschalten.
Die ganzen Rollen werfe ich in eine Aufbewahrungsbox aus dem Action Markt, damit die Beutel nicht beschädigt werden und Luft ziehen.
Mehr Beutel?
Gibt es hier.
Welche Filamente sind nicht hygroskopisch?
Ich schulde Euch natürlich auch noch diese Liste: Filamente, die als wenig hygroskopisch gelten:
- PLA (Polylactid)
- ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol)
- HIPS (hoch schlagfestes Polystyrol)
- CPE (Ethylen-Propylen-Copolymer)
- TPE (thermoplastisches Elastomer)
Diese Filamente können bis zu 0,5 % ihres Gewichts an Feuchtigkeit aufnehmen. Das ist deutlich weniger als bei den hygroskopischen Filamenten, die bis zu 10 % oder mehr Feuchtigkeit aufnehmen können.
Die geringe Hygroskopizität dieser Filamente bedeutet, dass sie weniger anfällig für Probleme wie Düsenverstopfung, ungleichmäßige Oberflächen und verminderte Festigkeit sind. Sie können daher (in der Regel!) ohne vorherige Trocknung verwendet werden.
Es ist natürlich jedoch immer ratsam, die Filamente an einem trockenen Ort zu lagern, um die Qualität zu erhalten.
Interessant. Hab mir erst kürzlich so ein Set mit manueller Pumpe bestellt. Automatisch wäre natürlich besser. Das von dir verlinkte Set gibts aber leider nicht mehr… :-/
Ich benutze es auch nicht mehr. Die Pumpe ist klasse, aber die Beutel werden nach einigen Wochen undicht. Man flickt die dann mit Tesa, was auch super funktioniert, aber irgendwann hatte man (ich!) einfach keinen Bock mehr, das Filament wieder zu vakuumieren. Ist halt irre unpraktisch, weswegen ich die Boxen vom Action benutze.
Aber ohne Frage sollte man einige hygroskopische Filamentsorten besser vakuumieren. PLA gehört nicht dazu. Das ist ja in der Regel schneller verdruckt, als es Wasser ziehen kann. :-)
Vorweg: Toller Blog! Halte mich jetzt hier schon wesentlich länger auf, als „geplant“! :D
Bin neu in dem Hobby und hab mir nen gebrauchten Mega S zugelegt. Da war eine rolle schwarzes PLA von Geeetech dabei und hatte damit auch echt zügig gute Ergebnisse.
Hab mir dann ein paar neue Filamente gekauft und das erste das ankam war „ein Schnäppchen“(?). PLA Silk in Kupferfarbe von Bresser. 250g für € 7,99 ohne VSK. Kam ordentlich verpackt und eingeschweißt. Aber – herrje! Sogar als Laie hab ich gleich gesehn, dass da was nicht passt. Und gehört hab ich es auch. Knistern vom Feinsten mit dementsprechendem Druckbild. Hab es dann ein paar Stunden über Nacht auf dem Druckbett in Karton getrocknet und danach noch mal gedruckt. Gefühlt wesentlich besser, aber auch nach etwas mehr drucken immer ab und an noch ein Knistern mit folgender Lücke im Druck. Daraufhin hab ich die zweite Bestellung in Kupfer storniert bzw. Annahme verweigert.
Tja – und dann kamen jetzt weitere Filamente an. Von Geeetech. Heute also voller Erwartung „wird bestimmt so gut sein wie das andere Geeetech (welches ich mit beim Drucker hatte). Aber – nix da. Auch dieses hat direkt bei den ersten Druckversuchen auch fröhlich vor sich hin geknistert! Hab dann einfach weiter gedruckt und der Druck ist zwar nur etwa 70% so gut wie beim anderen Geeetech, aber gefühlt wurde es auch hier nach den „ersten Bahnen“ etwas besser. Druck soweit akzeptabel, aber mit recht viel Stringing. Nun gut, muss ich wohl noch mal nachjustieren.
Hab die Rollen alle nicht direkt gedruckt sondern einen Tag/Nacht lang akklimatisieren lassen. Hab allerdings jetzt schon geminderte Lust, auch die anderen Filamente in Verwendung zu nehmen… :-/
Hab ich einfach nur Pech gehabt, oder gibt es das häufiger, dass „die ersten paar Dezimeter“ fürn Bobbes sind bei neuem Filament? Gerade bei Geeetech und PLA wundert mich das doch stark. Bei Bresser – ok, vielleicht Billo-Filament mit „professionellem“ Auftreten?! Am Ende hab ich der Marke gar „Unrecht getan“ und hätte das zweite doch nicht stornieren sollen…
Danke für die Blumen. Das mit den Filamenten sollte eigentlich so nicht passieren. Die sollten trocken sein. Waren denn die Rollen noch vakuumiert? Aber klar, man kann echt mal daneben greifen. Passiert. Ich mag das Zeug von Kingroon gerne. Aber das beste Filament war das von Qidi! Rough PETG, matt orange. Krasses Zeug, aber auch sauteuer.
Bresser? Überhaupt keine Berührungen mit gehabt. Weder Filament noch Drucker. Haben die nicht gerade einen Core X-Y angekündigt?
Schau doch mal, ob Du nicht den Mega mit Klipper versehen möchtest. Das machte aus meinem i3 Mega einen wirklich sehr brauchbaren Drucker. Unglaubliche Geschwindigkeiten mit dem originalen Hotend. Bist zu 170 mm/s. Habe ihn dann meinem Bruder gegeben. Der Ender 3 V3 KE war einfach noch besser. Der ist auch heute mein Lieblingsdrucker, den ich unbewusst immer benutze.
https://hessburg.de/3d-drucker-mit-klipper-beschleunigen/
Habe gestern noch weiter zu dem Thema recherchiert. Ist kein unbekanntes Problem, auch wenn PLA selbst keine Feuchtigkeit zieht. Lese auch von Anderen, die ähnliche Probleme haben. Ich werde jetzt dazu übergehen, jedes Filament nach dem Auspacken und vor erster Verwendung zumindest mal kurz „atmen“ zu lassen und/oder auf dem Heizbett zu trocknen.
Habe das genau so mit neuem TPU von Geeetech gemacht (ca. halbe Stunde getrocknet) und es druckt blasenfrei seit jetzt ner Stunde. Hätte gerade bei TPU mit noch mehr Problemen gerechnet – aber nope!
Was Klipper angeht, war das der Artikel, der mich überhaupt auf deinen Blog gebracht hat. Hab es selbst sogar schon mit nem alten RPi B umgesetzt und ging. Aber mangels eingebautem WiFi war mir das zu umständlich. Hab dann eine Methode gefunden, das über Android-Geräte zu machen und sogleich mich daran gemacht. Leider war ich hier nicht erfolgreich was vermutlich auch an meinem hunzalten Tablet mit Android 4.4.2 liegt. Aber ich werd bei Gelegenheit da noch mal rangehen mit einer abgewandelten Methode oder es auf nem alten Sony Handy versuchen. Wäre mir wesentlich lieber, als wieder „unnötig Geld“ für „Spielereien“ zu investieren. Aktuell druckt der Gerät ja auch so.
*zweite Rolle Bresser soll „Messing“ heissen – nicht „Kupfer“