Probefahrt SsangYong Rodius

Eine Woche nach dem Rexton machten wir eine Probefahrt mit dem SsangyYong Rodius, der auf anderen Märkten auch Stavic oder Turismo genannt wird. Ja, das ist schon ein Unterschied in sehr vieler Hinsicht. Was uns alles aufgefallen ist, könnt Ihr hier lesen.

Meinung

SPOILER!
Achtung! Subjektive und polarisierende Meinungen! 🙂

Irgendwann hat mal einmal genug von Kompromissen.
Unser aktueller Trajet ist so ein Kompromiss. Benziner, Schalter, sieben vollwertige Sitze, Anhängelast von 1.800 kg, tolle Versicherungseinstufungen, geringe Unterhaltskosten, wartungsarm. Soweit so gut.
Was nervt? Mit sieben Sitzen hat er so gut wie keinen Kofferraum. Er hat keine Automatik. Die Kraft des Motors ist für den Wohnwagen nur ausreichend, wenn man fleißig schaltet. Das Fahrwerk ist unausgewogen, es wird erst komfortabel, wenn man zu lädt oder etwas dranhängt.

Warum müssen es sieben Sitze sein?
Mit einem Hund müssen es zumindest drei Sitzreihen sein. Es sei denn, einer möchte den Hund die ganze Zeit auf den Füßen liegen haben. Der Hund soll in den Kofferraum? Gut, und wo kommt das Gepäck hin? Etwa in den Wohnwagen oder auf das Dach? Im Sinne der Fahrstabilität sind beides ziemlich schlechte Ideen.
Liegt mal eine kurze Strecke an, ein Kurztrip von bis zu 400 km z. B., dann wäre es schön, wenn man auch auf der mittleren Sitzbank zu dritt sitzen könnte. Das Fahrzeug also breit genug ist, sodass man nicht mit der Schulter dauernd den Nebenmann berührt.

So ein Doppelkupplungsgetriebe ist doch wirklich toll!
Ja, klar, für den Hersteller. Die Dinger haben sogar zwei Kupplungen, die verschließen können, vor allem, wenn man einen Wohnwagen zieht. Mir ist egal, ob das Auto 0,2 Liter Sprit auf 100km mehr verbraucht, ich will einen Drehmomentwandler. Aber man kann auch bei der deutschen Motorjournale nachlesen, dass diese DSGs nicht für den Anhängerbetrieb geeignet sind. Mittlerweile wechseln die Hersteller auch nicht ohne Grund wieder zu Wandlerautomatiken.

Warum nicht was Kleineres? So Touran- oder Zafira-klasse?

Kein Kofferraum, hinten nur Notsitze für Kurzstrecken – und auch das nur für Kleinkinder. Die Anhängelast hat bei den besseren, wie dem Carens, auch nur 1.500 kg. Klar, die Motoren sind mehr als kräftig genug, aber die Dinger wiegen mit Ach und Krach gerade mal so viel wie der Wohnwagen. Tempo 100 ist da ein Glücksspiel – und das zu Recht! Das Auto soll den Wohnwagen ziehen und nicht der Wohnwagen das Auto schieben.

Warum keinen Galaxy, Sharan oder Freemont?
Alles schöne Autos, aber die haben keinen Kofferraum. Zudem kann der Freemont mit 170 Diesel-PS nur lächerliche 1.100kg ziehen! Und mal so einen Galaxy konfiguriert? 40.000,- EUR sind da problemlos mit einer einfachen Ausstattung zu erreichen. Nettere Ausstattungen auch gerne 50 Kiloeuro! Selbst ein Alhambra landet mit kleiner Maschine, einfacher Ausstattung und sogar mit Rabatten bei über 30.000! Und dann hat er auch nur eine Spielzeugautomatik.

Dann einen VW Bus!
Hallo? Wer soll das Ding bezahlen und unterhalten? Andere Busse von Opel oder Renault sind auch ganz nett, sind aber meistens eher unkomfortabel und laut. Auf keinen Fall geeignet für die tägliche Fahrt zur Arbeit.

Muss es ein Diesel sein?
Ja, nein… ja! Diese kleinen Turbomotoren sind toll, keine Frage. Die haben im Keller sogar mehr Drehmoment als ein Diesel! Und das steht auch noch länger an! Zum ziehen ist da ein 1,4er Turbo mehr als ausreichend. Auch die Kfz-Steuer ist extrem niedrig. So wie der Verbrauch (wenn man sie nicht tritt). Aber ich traue den Dingern nicht. 🙂

SchangWas?
SsangYong ist neben Hyundai und Kia der dritte Autobauer aus Südkorea. Daewoo zählt ja nicht, die wurden von GM geschluckt.
Ja, richtig, der Mutterkonzern war fast Pleite (das war Kia Ende der 90er übrigens auch) und wurde erst von einem Chinesen übernommen – was aber nicht so recht funktionierte. Nun ist er in indischer Hand (Mahindra&Mahindra) und da steckt nun richtig Kohle dahinter. Ich bin ganz zuversichtlich, dass das jetzt was wird.
Den Vertrieb in Deutschland hatte erst ein Familienunternehmen, nun ist da auch eine belgische Firma dahinter, die auch über das nötige Know-how und die Geldmittel verfügt.
SsangYong baut seit mehr als 60 Jahren Allradgetriebene Fahrzeuge. Die sind gewissermaßen der koreanische Subaru. Nur mit einfacher Technik. 🙂

Und weil Google nur auf Nixwisser verlinkt, korrigiere ich hier mal deren Blödsinn:
„Welcher Motor ist in SsangYong verbaut?“
Stellen Leute wirklich so eine verdrehte Frage? Man könnte heulen. SsangYong hat seine Motoren von AVL List entwickeln lassen. Deren Eigenbeschreibung lautet: „Als weltweit größtes, privates Unternehmen für die Entwicklung und das Prüfen von Antriebssystemen wird AVL für ihr herausragendes Engineering- und Vertriebsnetzwerk geschätzt.“. Nun, wie kann man da widersprechen, wenn das Unternehmen im Jahre 2020 1,7 Milliarden Euro umgesetzt hat?

Passt hier nicht direkt her, fiel mir aber auf:
„Was bedeutet Korando?“
Endlich eine legitime Frage! Korando bedeutet „KOReans cAN DO!“. Finde ich witzig. Der Korando ist schließlich SsangYongs Golfklasse und deren meistverkauftes Fahrzeug.

 

Der Testwagen

Von außen wirkt der Rodius, ebenso wie der Rexton, nicht so groß, wie er es ist. 5,13 Meter lang, 1,95 Meter breit, satte 1,85 hoch und ein Lebendgewicht von 2.100 Kilogramm – das findet man nicht bei jedem Autohändler um die Ecke.

Wir fuhren einen Rodius 2WD Quartz, mit dem 2.0 Liter Diesel und 155 PS aus dem Modelljahr 2014. Auch wenn wir ihn mit Automatik wollten, so hatte das Fahrzeug das manuelle 6-Gang Getriebe verbaut. Auch die Farbe wäre nicht unsere erste (eher die letzte) Wahl: Silber.

Änderungen an dem Modelljahr 2015, das wohl de facto erst gerade bei den Händlern erscheint:
– neues Lenkrad (ähnlich Hyundai) ohne Schaltmöglichkeit
– Dekorleisten innen an den Türen sind nun heller
– Änderung Ablagefach vor Schalthebel
– Änderung Mittelkonsole
– Änderung Dachkonsole

Wegfall:
– äußere Armlehnen, mittlere Sitze
– Fond-Fußraumbeleuchtung in der Konsole unter der Armlehne.

Ab 2016 (frühestens Dezember 15) dann Entfall des 2,0 Liter Diesels. Er wird durch einen 2,2 Liter Diesel mit voraussichtlich 185 PS und Euro 6 ersetzt.

Rodius/aussen

Sitzkomfort

Auch hier nahm ich erst wieder auf dem Beifahrersitz Platz und konnte mir in Ruhe alles ansehen. Beim Einstieg fällt auf, dass ich, trotz meiner relativ geringen Körpergröße von 1,74m, nicht soviel Kopffreiheit wie in meinem Trajet habe. Die A-Säule scheint im oberen Bereich etwas flacher in das Dach überzugehen.

Die vier konventionellen Türen öffnen ausreichend weit, sind aber aus der sitzenden Position schwer zu erreichen. Die Fensterheber öffnen und schliessen angenehm schnell. Dunkel getönte Scheiben ab der B-Säule gibt es nur in der besten Sapphire-Ausstattung.

Die Sitze sind, wie bei Kia und Hyundai auch, unauffällig, bequem und nicht zu weich. Die Seitenführung auf den Stoffsitzen ist gut. Die Kopfstützen lassen sich ausreichend herausziehen. Die Beinfreiheit des Beifahrers ist ausreichend. Ob der Fahrzeuggröße hätte ich hier aber doch vermutet, dass man den Sitz noch zwei Rasten weiter nach hinten schieben könnte. Auf den Bildern befindet sich der Beifahrersitz auf der hintersten Position.

Die Armauflage ist nicht so breit wie im Rexton, ansonsten ist alles genau so, wie und wo man es erwartet. Die Türverriegelung befindet sich im Öffner, der hier aus verchromten Kunststoff besteht.

Auch der Rodius verriegelt ab Tempo 50 automatisch die Türen. Aber hier können sich auch die hinteren Passagiere selber befreien, in dem sie die Verriegelung öffnen. Im Rexton ist dies nur dem Beifahrer möglich, dann aber für alle Plätze.

Die Windgeräsuche, die im Rexton hell säuselnd waren, sind im Rodius eher dumpfer zu hören. Sie treten auch wesentlich später auf und waren bei uns erst ab Tempo 120 wahrzunehmen. Ab dann macht sich auch der Motor bemerkbarer. Trotzdem ist das Geräuschniveau erfreulich gering und mehr als Langstreckentauglich.

Schade ist in meinen Augen, dass der Rodius den Wahlhebel in der Automatikversion auf der Mittelkonsole hat. Hier wäre es schön gewesen, diesen als Lenkstockhebel auszuführen und auf die riesige Armlehne mit den zwei voluminösen Fächern zu vezichten. Dadurch hätte sich die Möglichkeit gegeben, auch mal an einer Ampel sich nach hinten zu den Kindern zu setzen.

Angenehm fällt auf, dass der Rodius nicht nach Neuwagen riecht. Jede Wette, dass viele Hersteller absichtlich immer noch die gleichen Chemikalien wie vor 50 Jahren verwenden? Jeder VW riecht (einige sagen: stinkt) seit dem Käfer gleich.

Bedienung

Das Armaturenbrett stammt im Prinzip aus dem alten Rodius von 2005, hat aber nun blitzsaubere Spaltmasse. Die klassischen Anzeigen mit Zeigern befinden sich in der Mitte des Armaturenträgers. Darunter finden sich im Prinzip alle weiteren Schalter, bis hin zu den Sitzheizungen. Da die Ausstattung zwar komplett, aber doch relativ einfach gehalten ist – bis auf die gesetzlich vorgeschriebenen finden sich keine weiteren Assistenzsysteme auf den Ausstattungslisten – wirken die Schalter und Anzeigen übersichtlich.

Die Schalter sind relativ groß, was die Bedienung erleichtert. Alle Funktionen sind klar zu erkennen und geben keine Rätsel auf. Der ganz (ganz!) große Schwachpunkt ist aber, dass man im Sonnenlicht weder die Instrumente noch die Aktivitätslichter der Schalter der manuellen Klimaanlage erkennen kann. Auch wenn sich die Uhr in der Dachkonsole befindet, so ist sie ebenfalls nur sehr schlecht ablesbar.
UPDATE: Die Instrumentenbeleuchtung kann man ausreichend hell einstellen, wenn man weiss, wie das geht. Das läuft über den Umschalter des Tageskilometerzählers. Solange drücken, bis „ILL“ erscheint, dann kann man in ausreichend vielen Stufen die Beleuchtung so ändern, dass sie nachts nicht stört und tagsüber auch ausreichend hell ist.

Die Rundumsicht ist im Vergleich zu Fahrzeugen wie Zafira oder Carens ganz ausgezeichnet, auch wenn die Sicht nach hinten durch die Höhe des Fahrzeuges nicht gut ist. Kleinere Fahrzeuge (also so ziemlich alle anderen) sieht man beim Einparken nicht. Die Außenspiegel sind angenehm groß und bieten ein gutes Sichtfeld. Im Innenspiegel sieht man die komplette Heckscheibe, so lang ist das Fahrzeug innen.

Cockpit

Die Anzeigen

Was tatsächlich befremdet ist, dass eigentlich nicht eine Anzeige im Stil den anderen entspricht. Radio, Uhr, Klimaautomatik (ab Sapphire) und das Mäusekino (ab Quartz) zeigen ihre Informationen in einer anderen Art der Technik an. Hier LCD, dort eine vermeintliche Flourezensanzeige, dort ein inverses LCD.

Hier kann nur wirklich das Mäusekino, eine Art Twingo-Tacho, der sich hinter dem Lenkrad an der Stelle befindet, wo man normalerweise die Armaturen erwarten würde, überzeugen. Die Anzeige der Geschwindigkeit ist auch bei Sonnenlicht klar lesbar. Hier befindet sich auch der einfache Bordcomputer, der u.a. auch den aktuellen Spritverbrauch numerisch in Litern, als auch als Piktogramm im Stil eines Drehzahlmessers anzeigt. Prima!

Die Uhr und vor allem der Tacho sind bei Sonnenlicht extrem schlecht ablesbar. Dieses Problem teilt der Rodius mit dem Rexton. Ab der Ausstattungslinie Quartz rettet aber das erwähnte Mäusekino den Fahrer vor Punkten in Flensburg.

Mitfahrgelegenheiten

Der Rodius ist in der hierzulande eher unüblichen Sitzaufteilung von 2-2-3 aufgeteilt. Dies hat den unbestreitbaren Vorteil, dass man auch zwischen den beiden mittleren Sesseln hindurch die hintere 3er-Sitzbank erreichen kann.

Mit dem Facelift 2015 wurden die äußeren Armlehnen an den mittleren Sitzen wegrationalisiert. das ist eigentlich Schade, denn die Armauflage in der Tür ist etwas höher und deutlich weiter entfernt.

Die Beinfreiheit reicht auf für große Menschen und das sogar auf längeren Strecken. Ein wenig enttäuschend ist, dass man etwas zu tief sitzt. An mangelnder Kopffreiheit kann es nicht liegen.

Die Sitzlehnen könnten etwas höher sein. Die Kopfstützen lassen sich aber auch hier ausreichend weit herausziehen. Trotzdem ist der Sitzkomfort auch hier sehr gut. Waren im Rexton die Sitze der zweiten Reihe die begehrenswertesten, so hat mir im Rodius tatsächlich die letzte Reihe am besten gefallen.

Die beiden Einzelsessel in der mittleren Reihe verfügen über ISO-Fix-Befestigungen. Normale Kindersitze lassen sich auf diesen Sitzplätzen mit nur einer Hand befestigen, respektive anschnallen: hervorragend! Die Gurtschlösser an der Rücksitzbank sind leider nicht starr, sodass man zum Anschnallen immer beide Hände benötigt: Das ist verbesserungswürdig.

Hinterbänkler

Auf der nicht getrennt umlegbaren(!) Bank der dritten Reihe sitzt man einfach am gemütlichsten. Ich neige auch zu Übelkeit während der Fahrt, wenn ich nicht in Reihe eins sitze oder eine eingeschränkte Sicht habe. Der Blick nach vorne ist gewissermaßen endlos, an den Seiten befinden sich nur kleine, Dreiecksfenster, die frappierend an die Fenster eines Passagierflugzeuges erinnern und hier sitzt mal direkt auf der Hinterachse, was bekanntlich zu unangenehmen Vertikalbewegungen führt.

All diese Eigenschaften wären für mich Grund genug für ein feststoffbegleitetes Bäuerchen, aber nicht so im Rodius! Liegt es am extralangen Radstand von drei Metern? Liegt es an der (für zwei Personen) sehr bequemen und extrem breiten Sitzbank? Liegt es an der verstellbaren Rückenlehne? An der üppigen Kopffreiheit? An den knapp 900 Litern Stauraum, die man noch hinter sich weiß? Ich weiß es nicht.

Fakt ist nur, dass mir auch auf dieser Strecke, die uns über Land und durch einige Ortschaften führte, nicht übel wurde. Und das, obwohl ich durch den Sucher der Kamera dabei den Innenraum fotografierte! Bemerkenswert!

Innenraum

Fahr? Werk!

Das Fahrwerk des Rodius ist perfekt. Punkt. Ja, natürlich hat es eine gewisse Härte, gleitet also über kurze Bodenwellen nicht unmerklich hinweg. Aber bei einer Höhe von 1.85 Meter und einem Fahrzeuggewicht von knapp über 2.1 Tonnen ist man darüber auch nicht böse, trägt die Straffheit doch zur Sicherheit bei. Das bedeutet nicht, dass der Rodius hart wäre. Nein, er gleitet sehr, sehr angenehm und leise dahin. Ich kann mich nicht entsinnen, wann ich das letzte Mal so bequem gefahren wurde. Vielleicht die S-Klasse? Aber da sitzt man so unangenehm tief drin.

Nachtrag 2020: Wir fahren seit drei Jahren einen gebrauchten 2014er Rodius, Quartz, Automatik, Glasschiebedach. Der Rexton wurde ein Scheidungsopfer. Kurz nach dem Kauf geschah etwas Unerwartetes: ein Traggelenkbruch! Gut, unsere freie Werkstatt meinte nur: „Na und? Das haben wir dauernd hier in der Werkstatt.“ – Richtig, denn eine kurze Google-Suche förderte solche Schäden zuhauf an den Tag. Interessanterweise meist von Kleinwagen der Golfklasse aus dem VW-Konzern. Nun gut, war ohnehin ein Garantiefall, bei dem beide Gelenke getauscht wurde.

Wir wohnen nun ländlich, bergig mit einer engen Landstraße durch den Wald, die man auch mit den Rodius erstaunlich zügig nehmen kann. Bei SsangYong gibt es die Eigenheit, dass das ESP erst spät eingreift. Wenn vier Meter hinter dir das Heck 10 cm ausschwenkt, bevor das ESP einschreitet, ist das schon ungewohnt. Das liegt wohl an den Offroad-Genen, denn im leichten Gelände würde das (ausschaltbare) ESP sowieso nur stören.

Unser eigener Rodius

Abrollgeräusche oder Fahrwerkspoltern sind mir nicht in Erinnerung geblieben. Sicher, so leise wie der Rexton ist der Rodius nicht, das liegt schon an der kastigen Bauform. Man hört den Motor schon wesentlich deutlicher. Subjektiv würde ich sagen, das ab 110 km/h das Geräuschniveau deutlich ansteigt. Aber wie schon geschrieben: Das fiel uns bei der ersten Testfahrt vor über einem Jahr nicht auf. Vielleicht brauchte dieser Rodius nur etwas Zuneigung von einem Meister der Vertragswerkstatt?

Meine Frau brachte es auf den Punkt: Der Rexton ist eher ein PKW, der Rodius eher ein Transporter. Wir linsen auf das Preisschild und sagen uns: Ja und?

Verarbeitung

Uiii, das ist so ein Thema bei SsangYong. Der Luxus-Geländewagen Rexton und der und der geländegängige Minivan Rodius sind die ältesten Pferde im Stall. Der Rexton stammt im Grunde aus dem Jahr 2001, der Rodius von 2005.

Da der Rexton das Flaggschiff der Firma ist, wurde bei seiner Verarbeitung größere Sorgfalt an den Tag gelegt. Der Rodius ist eine Mischung aus Minivan, SUV und Nutzfahrzeug. Die Innenausstattung erweckt nicht den Eindruck, sie könnte mit dem Dampfstrahler gereinigt werden (so wie scheinbar im aktuellen Suzuki Vitara), aber sie ist von den Materialien her nicht mit dem Rexton zu vergleichen.

Korando und Tivoli sind hier doch um einige Jahre weiter und bieten auch hier eine in weiten Teilen bessere Haptik als die beiden alten Modelle.

Negativ aufgefallen ist uns, dass die Griffe der Vordertüren beim Rodius dazu neigen zu knarzen. Der Griff besteht aus mehreren Teilen, die bei der Hitze sich wohl verschieden stark ausdehnten.

Gut, noch mehr Mecker:
Das war ein Neufahrzeug. Neuer als neu sogar, denn die Übernahmeinspektion war noch nicht durchgeführt. Die Klimaanlage funktionierte nicht, was bei 38 Grad Außentemperatur sehr schweißtreibend war. Ebenso funktionierten die hinteren Leselampen nicht. Bei schnellerer Fahrt traten Vibrationen am Boden auf, die vermutlich durch die Kardanwelle ausgelöst wurden(?). Als Fahrer bemerkte man das nicht so sehr wie als Beifahrer. Vor rund einem Jahr hatten wir schon einmal mit einem Rodius geliebäugelt und ein identisch ausgestattetes Modell probegefahren. Damals nur über die Autobahn und mit dem Augenmerk auf einen anderen Einsatzzweck. Aber dort sind uns keine Vibrationen im Antriebsstrang aufgefallen – damit sind wir damit sehr flott über eine freie Autobahn gefahren.

Geländegängigkeit

In der 4WD-Version mit zuschaltbaren Frontantrieb und der Möglichkeit zur Untersetzung ist der Rodius weitaus geländegängiger als die meisten SUV. Er hat vorne und hinten zwei massive Hilfsrahmen. Was man damit machen kann, sieht man auf unzähligen (russischen!) Videos auf YouTube. Einzig die großen Überhänge, der lange Radstand und die damit eingeschränkten Böschungswinkel bremsen ihn aus. Für die Fahrt über unbefestigte Waldwege reicht es aber, das probiert meine Frau immer zu gerne aus. Allerdings sehen nun die Stoßfänger auch genau so aus.

Fahren

Nun war es auch für mich an der Zeit, in das Volant zu greifen. Ja, der Tacho ist Mist! Ein Hoch auf das Mäusekino!

Die Außenspiegel sind elektrisch einstellbar, der Innenspiegel blendet automatisch ab. Alle bilden das Verkehrsgeschehen ringsum gut ab. Im Innenspiegel sieht man das komplette Heckfenster, so weit ist es entfernt.

Der Fahrersitz ist in der Quartz-Ausstattungslinie nur manuell verstellbar. Dafür ist die Sitzfläche in der Höhe, respektive Neigung vorne und hinten separat verstellbar. Eine Lendenwirbelstütze ist mir nicht aufgefallen, habe ich auch nicht vermisst.

Das Lenkrad liegt gut in der Hand und ist mit Leder bezogen. Ja, Koreaner sind hier eigen: Versuchen die deutschen Premiumhersteller beim Beziehen des Lenkrades immer den Eindruck zu erwecken, als wurde es in kompletter und liebevoller Handarbeit durch den Sattlermeister höchstpersönlich bezogen, so versuchen die Koreaner bei Kia, Hyundai oder auch SsangYong genau diesen Eindruck zu vermeiden. Der Bezug ist fast zu perfekt und man glaubt immer, er bestünde aus Kunststoff, bis man einmal einen Kratzer darauf produziert hat.

Auch wenn der Volant im SssangYong jetzt nicht die Perfektion der Mitbewerber Hyundai/Kia erreicht, so kann man doch das Streben nach Perfektion erkennen. Für deutsche Autofahrer sieht es dann so aus, als sei das Lenkrad mit Kunststoff bezogen und die Nähte wären aufgedruckt.

Wir fuhren noch ein „Zwischenmodell“, das zwar fast alle Neuerungen des vermutlichen Modelljahres 2016 aufwies (Türeinlagen heller, Teppiche schwarz, fehlende Armlehnen, etc.) aber eben noch das alte Lenkrad der Jahres 2015 besaß. Optisch ist das wenig elegant, passt aber eben gut zum wenig eleganten Äußeren des Rodius.

Griffigkeit und Bedienung sind ausgezeichnet. Die Lenkradtasten sind klar angeordnet und gut zu bedienen. Auch hier ist die Lenkung an sich wieder das erklärte Feindbild der deutschen Motorjournale: extrem leichtgängig und gefühllos! Also absolut perfekt! Der Geradeauslauf des Hecktrieblers ist sowieso dermaßen makellos, dass das Auto gleichermaßen von allein fährt.

Agil wie ein Elefant auf dem Eis?

Definitiv ja! Die Handlichkeit und der Wendekreis sind unglaublich! Man vergisst, dass man sich in einem Auto befindet, das 5,15 Meter lang ist. Meine Frau ist zum Spaß Kreise auf dem Parkplatz des örtlichen Lidl gefahren und meinte dabei immer wieder: „Oh, ist das toll!“. Die Länge wäre nicht schlimm, da das Auto praktisch auf der Stelle wenden könnte. Tatsächlich beträgt der Wendekreis in etwa 10 m. Liegt also auf Kleinwagenniveau.

Mir kommt gerade der Gedanke, dass man den Rodius auch „Horton“ hätte nennen können. Wer den Film „Horton hört ein Huh!“ sah, erinnert sich sicher noch an die Eröffnungssequenz, in der der Dickhäuter äußerste Eleganz beim Sprung in den Badeteich an den Tag legte. 🙂
Ja, dem Dickschiff wohnt in der Tat eine ungeahnte Leichtigkeit inne.

Schaltung

Mit dem Schaltgetriebe ist in der Tat eine viel gescholtene Anfahrschwäche festzustellen.

Erst ab 1.200 Touren kommt nennenswerter Vortrieb zustande, der sich steigert, wenn die Nadel des Drehzahlmessers die 1.300er Marke erreicht. Nur 100 Touren weiter kommt ein anerkennendes „Ah!“ über die Lippen des Fahrers, das aber ab 1.500 Umdrehungen in ein entsetztes „Aaaaaaah!“ mündet, wenn die ganze Fuhre so vehement nach vorne schießt, dass einem angst und bange werden kann. Man tut also gut daran, direkt nach dem Anfahren in den zweiten Gang zu schalten.

Nachtrag 2020: Mit  der Automatik gibt es keine Anfahrschwäche, logisch. Der Vortrieb hat durch die Fünfgangautomatik, die von Mercedes übernommen und verbessert wurde, noch mehr Vehemenz. Das traut man dem Ding gar nicht zu. Aktuell werden bei SY Siebengangautomatiken (auch von MB übernommen) mit dem 2,2 Liter Motor und 180 PS / 400 Nm verwendet. Eine Schrulligkeit ist der Tempomat, dieser lässt sich nur von 40 bis 170 km/h einstellen. Die Höchstgeschwindigkeit sind nach Tacho 192 km/h und nach Fahrzeugschein 180 km/h. Unser Verbrauch liegt auf der Kurzstrecke Berghoch und Bergrunter, dann meist nur Stadtverkehr, bei etwas über 10 Liter. Fahren wir auf die Autobahn, fällt die Anzeige schnell auf etwas über 9 Liter. Fahren wir z. B. nur 100, sinkt der Verbrauch noch einmal deutlich. Das ist… okay für ein Fahrzeug dieser Klasse mit dieser Stirnfläche und dem Gewicht, denke ich.

Das Getriebe ist kurz, aber gut abgestuft. Die sechs Schaltstufen lassen sich am knackig-kurzen Schalthebel präzise und auf sehr kurzen Wegen einlegen. Das macht Spaß! Auch im höchsten Gang, der nicht zum Sparen ausgelegt ist, legt sich der Zweiliter noch mächtig ins Zeug. Mit 360 Nm Drehmoment ab 1.500 U/min ist das aber auch kein Wunder. Zu keiner Zeit wirkt der Riese untermotorisiert, auch wenn wir keine Gelegenheit hatten schneller als 130 km/h zu fahren.

Trotzdem: Der Rodius ist kein Sportwagen. Nicht auch zuletzt wegen der Anfahrschwäche würde ich hier ganz klar die 5-Stufen Automatik mit oldschool Drehmomentwandler empfehlen. Gerade zum Ziehen von Anhängern gibt es nichts Angenehmeres. Ich denke, dass ich hier die Erfahrungen mit der Automatikversion des Rexton 1:1 übernehmen kann, denn die Technik ist identisch.

Bremsen

Die Bremsen sind wirklich gut. Da es ein Neuwagen ist, wollte ich die nicht zu sehr quälen, nahm also wieder Pedalweg weg, als ich merkte, dass das Fahrzeug einwandfrei und spurtreu verzögerte. Die Bremswirkung liegt nach meinem Dafürhalten auf aktuellen Standard. Die vier Scheibenbremsen werden von einem Notbremsassistenten unterstützt.

Gewöhnungsbedürftig ist die Hand… äh… Feststellbremse. Die ist im alten Benz-Style als Pedal ganz links ausgeführt und wird über einen Hebel per Hand wieder gelöst. Eben deswegen ist es schade, dass der Durchgang zwischen den Vordersitzen durch Armlehnenfach und die Schaltung verbaut wurde.

Innenraum2

Laaaaderaum!

Öffnet man die Heckklappe, blickt man auf unendliche Weiten. Die meisten Siebensitzer vom Schlage eines Galaxy oder Sharan – ich fange erst gar nicht mit den Gehilfen Zafira oder Touran an – haben bei voller Bestuhlung keinen Platz mehr für das Gepäck der Passagiere.

Hier hat man einen Kofferraum, der den meisten Kombis Respekt und Ehrfurcht abverlangt: 890 Liter Ladevolumen! Schiebt man die Rückbank nach vorne, die sich leicht mit einem Hebel lösen lässt, so gibt sie in mehreren Stufen noch mehr Ladevolumen preis. Gönnt man den Passagieren dann so viel Beinfreiheit wie in einem Golf, ist auch der Einkauf bei Ikea kein Problem. Ich schätze, dass bei ausgebauten Sitzen das Volumen bei ca. 4.000 Litern liegt – locker!

Die Rückbank soll sich ausbauen lassen. Das haben wir natürlich nicht ausprobiert. Die vorderen Sitze lassen sich wohl herausschrauben. Sie sind übrigens nicht mehr entgegen der Fahrrichtung zu drehen. Der Rodius vor 2013 beherrschte diesen Trick dank zusätzlicher Beckengurte auch während der Fahrt.

Die Zuladung liegt bei bis zu 700 kg. Das freut mich. Andere Vans oder SUV können oft nur die Passagiere, aber kein Gepäck mehr zuladen.

Offenbar kann man bei ausgebauten Sitzen der zweiten Reihe die Rückbank bis nach vorne schieben. Dann stehen aber nur noch Gurte für zwei Personen zur Verfügung. Die Rückbank kann man ebenfalls ganz nach hinten schieben, wenn man die Plastikabdeckungen auf den Schienen entfernt. Dann ist es aber auch Essig mit dem Anschnallen, denn die Gurte befinden sich dann zu weit vorne. Diese Möglichkeiten rühren wohl daher, dass es den Rodius auf einigen Märkten mit bis zu elf(!) Sitzplätzen gibt.

Die Heckklappe schliesst sich leichter als erwartet und fällt auch sauber in das Schloss. Bei meinem Trajet ist das nicht so, da braucht es Schwung.

Motorraum

Nachtrag 2020: Auch mit nur einer verhältnismäßig kleinen Motorabdeckung sieht der Motorraum sehr aufgeräumt aus. Vorteile: Man kommt wirklich an alle Bauteile heran. Wie sagte unsere Werkstatt: „Aaaah! Das ist ja Schraubers Traum!“. Okay, nur die verdammten Scheinwerferbirnen lassen sich nur tauschen, wenn man die Batterie ausbaut.

Mit der Wohndose am Haken?

Ziehen kann der Rodius bis 2 Tonnen. In anderen Märkten oder mit anderen Motorisierungen werden bis zu 3,5 to angegeben. Das heißt, dass strukturell enorme Reserven vorhanden sind. Mir ist es rätselhaft, warum andere Vans oder SUV teilweise sogar nur 1.100 kg ziehen dürfen. Der ähnlich große und ähnlich motorisierte Fiat Freemont zum Beispiel.

Wie sich der Rodius beim Ziehen verhält, konnten wir leider nicht selber er-fahren. 2.1 Tonnen Leergewicht und ein zulässiges Gesamtgewicht, das beinahe doppelt so groß ist wie unser Wohnwagen beruhigen, aber den Puls. Der Wohnwagen würde den Rodius nur noch um 70 cm überragen, da fährt der gewissermaßen im Windschatten mit. Dazu der drei Meter Radstand, da fängt der Urlaub schon mit den ersten Metern an.
Uns wurde glaubhaft von Rodius-Besitzern versichert, dass der Rodius im Zugbetrieb nicht signifikant in die Knie geht, da stört mich dann auch der recht lange Überhang nicht sonderlich. Gegenüber dem Trajet würde ie Gesamtlänge des Zuges von 12,65 m auf 13,05 m steigen, das ist vernachlässigbar.

Nachtrag 2020: Wir haben den Rodius mit Automatik und demselben Wohnwagen nun auch gefahren. Er fährt sich etwas nervöser als der Rexton, da der hintere Überhang des Fahrzeuges länger ist und somit höhere Hebelkräfte auftreten. Aber das merkt man nur im direkten Vergleich. Wie zuvor erwähnt: alles besser als die heute üblichen Micro-Vans oder Mini-SUV. Wenn das Zugfahrzeug, wie in unserem Fall, 700 kg schwerer als der Wohnwagen ist, beruhigt dies das Gespann deutlich. Die Anhängerkupplung habe ich selbst eingebaut.

Parkraum

Okay… 513 cm lang und 195 cm (ohne Außenspiegel!) breit. Das ist ein Wort und das klingt nicht gerade danach, als würde es auf einem Discounterparkplatz gerne gehört werden. Das ist aber halb so schlimm, wie man an den Bildern sieht.

Nach vorne lässt sich der Rodius ausgezeichnet einparken. Nach hinten… na ja, die Parksensoren funktionieren gut und gehen auch erst ab ca, 30 cm Abstand in einen Dauerton über. Trotzdem wäre eine Rückfahrkamera wünschenswert. Die gibt es aber in Deutschland nicht. Aber eine Aussparung dafür findet sich im Griff der Heckklappe. Das ist erfreulich.

Fazit

Der Rodius macht es uns nicht leicht. Er ist in allem etwas mehr Nutzfahrzeug als der vorher gefahrene Rexton. Als wir nach dem Ende der Fahrt noch einmal in dem Rexton Platz nahmen, war es, als kämen wir nach Hause. Hört sich komisch an, war aber so. Vielleicht der Geruch des Leders?

Der Rodius hat drei unbestreitbare Vorteile:
Erstens: Platz
Zweitens: Platz
Drittens: Platz

Selbst ich, der Vans liebt und den Rodius einfach nur liebenswert schräg findet, fragt sich, ob der Rexton, der sicher bald einen Nachfolger bekommt, nicht die bessere Wahl wäre. Denke ich an beide Fahrzeuge, so habe ich beim Rodius ein „Plastikgefühl“ und beim Rexton denke ich an Stahl.

Auf der anderen Seite ist Platz durch nichts zu ersetzen, außer durch noch mehr Platz. In der jetzigen Situation ist deshalb der Rodius sicher die bessere Wahl. In einigen Jahren, wenn die Kinder aus dem Haus sind, wäre der Rexton unsere erste Wahl.

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